Alle Beiträge von Laura Woll

Podiumsdiskussion zur Lieferkettenverantwortung von Unternehmen mit Prof. Giegerich

Am 2.3.2023 nahm Prof. Giegerich im Rahmen der vom Europa-Institut mitveranstalteten Saarbrücker Europa-Runde an einer Podiumsdiskussion zum Thema „‘Lieferkettengesetz’ – und nun?“ in der IHK Saarland teil. Die Diskussion fand statt anlässlich des Inkrafttretens des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes am 1.1.2023. Prof. Giegerich wies dort insbesondere auf den völkerrechtlichen Rahmen der Regelung von Sorgfaltspflichten in Lieferketten hin, der auch die gegenwärtigen Trilog-Verhandlungen des Europäischen Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission über den Entwurf einer Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vom 23.2.2022 mitbestimmt.

Im Völkerrecht ergänzen sich Soft-Law- und Hard-Law-Regeln, um zu verhindern, dass multinationale und andere Unternehmen insbesondere in Entwicklungsländern Menschenrechte und Umweltstandards missachten. Zu den ersteren zählen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und insbesondere die vom UN-Menschenrechtsrat 2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte (sog. Ruggie-Prinzipien). Die Ruggie-Prinzipien unterstreichen jedoch die Hard-Law-Verpflichtung der Staaten, potentielle Opfer vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, die von Unternehmen ausgehen, soweit die Staaten diese Unternehmen auch hinsichtlich ihres extraterritorialen Verhaltens kontrollieren können. Dies gilt kraft des Personalitätsprinzips insbesondere für staatszugehörige Unternehmen. Zu den Menschenrechten zählen neben den klassischen Freiheitsrechten (z.B. das Verbot der unmenschlichen Behandlungen, der Sklaverei und der Zwangsarbeit) vor allem auch wirtschaftliche und soziale Rechte (z.B. das Recht auf sichere Arbeitsbedingungen und angemessene Entlohnung sowie das Verbot der Kinderarbeit). Daneben treten zunehmend Umweltschutzstandards.

Gegenwärtig geht es vor allem darum, die Unternehmen zu verpflichten, für die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards auch durch ihre in- und ausländischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer zu sorgen. Die Unternehmen werden dafür eingespannt, Schutzziele rund um den Erdball zu verwirklichen, die die (Industrie-) Staaten allein nicht erreichen können. Auferlegte Sorgfaltspflichten müssen dabei einerseits streng genug sein, um ihre Menschenrechts- und Umweltziele zu erreichen, dürfen andererseits die Unternehmen nicht überlasten. Das Zauberwort lautet hier „due diligence“ – aber darüber, wieviel Sorgfalt jeweils angemessen ist, lässt sich trefflich streiten. Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Festlegung der konkret einzuhaltenden Menschenrechts- und Umweltstandards, die im Heimatstaat des Unternehmens strenger sein können als am Drittweltstandort seines mittelbaren Zulieferers.

Die Rolle der EU in Bezug auf die Lieferkettenproblematik wird einerseits durch ihren großen Anspruch, andererseits ihre begrenzten Kompetenzen bestimmt. Nach Art. 3 Abs. 5 EUV soll die EU einen Beitrag u.a. zu globaler nachhaltiger Entwicklung, zu fairem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes leisten. Gemäß Art. 21 EUV will die EU in ihrem Handeln auf internationaler Ebene den Menschenrechten und Grundfreiheiten auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen; sie will die nachhaltige Entwicklung in Bezug auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt fördern und die Armut beseitigen; sie will außerdem die Qualität der Umwelt verbessern. Um aber Unternehmen entsprechende Sorgfaltspflichten auferlegen zu können, muss die EU auf ihre begrenzten Kompetenzen zur Verwirklichung des Binnenmarktes zurückgreifen (Art. 50, 114 AEUV). Hauptanliegen des derzeit diskutierten Richtlinien-Entwurfs ist daher die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt durch voneinander abweichende nationale Lieferkettengesetze. Der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in Entwicklungsländern darf bloß eine willkommene Nebenfolge sein.

Die Podiumsdiskussion wurde über Zoom aufgezeichnet. Das Video ist über den youtube-Kanal der ASKO Europa-Stiftung abrufbar: https://youtu.be/r7idu68BsPc

Dem Thema „Supply Chains Responsibilities“ widmet sich auch schwerpunktmäßig das Heft 2 des Jahrgangs 25 (2022) der Zeitschrift für Europarechtliche Studien (S. 209 – 418), zu dem Prof. Giegerich unter dem Titel „Supply Chains Responsibilities in the “Democratic and Equitable International Order” – the Tasks for the European Union and Its Member States“ die Einleitung geschrieben hat (S. 213 – 220). Diese Beiträge sind aus einer Konferenz hervorgegangen, die im November 2021 anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung des Europa-Instituts stattfand.

Genozide in der Ukraine – Genocides in Ukraine

In our latest Saar Expert Paper Dr. Myroslava Antonovych from Kyiv compares the Holodomor genocide as the first genocide of Ukrainians committed by the Soviet Union 90 years ago with Russia’s current war of aggression, which she also classifies as genocide.

Prof. Dr. Thomas Giegerich kommentiert das Paper im jüngsten Saar Brief „Genozide gegen die Ukraine – Verhütung, Erinnerung, Aufarbeitung und Sühnung historischer und aktueller Völkermordverbrechen“. Dieser ist hier direkt abrufbar.

„Gender-Competent Legal Education“ erscheint als erstes Lehrbuch seiner Art

Soeben ist das von Thomas Giegerich mitherausgegebene und teilweise mitverfasste Lehrbuch „Gender-Competent Legal Education“ beim Springer-Verlag in der Serie „Springer Textbooks in Law“ erschienen. Es handelt sich um das erste Lehrbuch seiner Art, das in 19 Kapiteln auf über 700 Seiten alle wichtigen Rechtsgebiete aus einer Gender-Perspektive neu betrachtet. Vorgeblendet ist ihm ein Allgemeiner Teil zur vergleichenden Rechtsgeschichte, zur feministischen politischen Theorie und Rechtstheorie, zur Rechtssoziologie, zu feminist judgments sowie zu gender research and feminist methodologies.

Das Lehrbuch soll weltweit ein gender mainstreaming in der juristischen Ausbildung unterstützen, die bislang in erster Linie „malestreamed“ gewesen ist. Die Autorinnen und Autoren mit rechts- und sozialwissenschaftlichem Hintergrund forschen und lehren an der Universität Belgrad (Serbien), der Universität Cadiz (Spanien), der LUMSA-Universität in Palermo (Italien), der Universität Örebro (Schweden) sowie der Universität des Saarlandes (Deutschland). Das Lehrbuch ist ein wichtiges Ergebnis des 2019 begonnenen gemeinsamen Erasmus+ Projekts unter dem Namen New Quality in Education for Gender Equality – Strategic Partnership for the Development of Master’s Study Program “Law and Gender” – LAWGEM.

Neben der käuflich zu erwerbenden gebundenen Ausgabe des Lehrbuchs (ISBN 978-3-031-14359-5) gibt es eine weltweit frei abrufbare Online-Version unter https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-031-14360-1?page=1#toc.

The textbook “Gender-Competent Legal Education”, co-edited and partly co-authored by Thomas Giegerich, has just been published by Springer Publishers in the series “Springer Textbooks in Law”. It is the first textbook of its kind to take a fresh look at all important areas of law from a gender perspective in 19 chapters on over 700 pages. It is preceded by a general part on comparative legal history, feminist political theory and legal theory, sociology of law, feminist judgments and gender research and feminist methodologies.

The textbook is intended to support gender mainstreaming in legal education worldwide, which has so far been primarily “malestreamed”. The authors, who have backgrounds in law and social sciences, research and teach at the University of Belgrade (Serbia), the University of Cadiz (Spain), LUMSA University in Palermo (Italy), Örebro University (Sweden) and Saarland University (Germany). The textbook is an important intellectual output of a joint Erasmus+ project launched in 2019 under the name New Quality in Education for Gender Equality – Strategic Partnership for the Development of Master’s Study Program “Law and Gender” – LAWGEM.

In addition to the hardback edition of the textbook (ISBN 978-3-031-14359-5), which is available for purchase, there also is an online version that is freely accessible worldwide at https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-031-14360-1?page=1#toc.

Beitrag von Prof. Dagmar Richter zu Pushbacks an den Außengrenzen Europas

Prof. Dagmar Richter hat einen Beitrag mit dem Titel „Grenzschliessungen und Push-Backs unter dem Aspekt der Menschenrechte“ im Tagungsband von Breitenmoser/Uebersax/Hilpold (Hrsg.), „Schengen und Dublin in der Praxis – in der EU, in der Schweiz und in einzelnen europäischen Staaten, mit einem Blick auf 70 Jahre Flüchtlingskonvention“ (Dike Verlag Zürich/St. Gallen 2023, S. 433-495) veröffentlicht. Ihre Thesen zu menschenrechtlichen Aspekten dieser Push-Backs an den Außengrenzen Europas sind hier direkt abrufbar.