Online-Diskussionen mit Prof. Giegerich

Wie in den letzten Wochen auf unserem Blog berichtet, hat Prof. Dr. Thomas Giegerich in den letzten Wochen an zwei Online-Diskussionen teilgenommen.

Im Rahmen der von der Europe Direct Saarbrücken organisierten Veranstaltung „Wie steht es um die Rechtsstaatlichkeit in der EU?“ hat Prof. Giegerich am 17.11.2020 mit Annegret Kempf von der Europäischen Kommission über Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union gesprochen. Frau Sauder, vom Rechtswissenschaftlichen Zentrum für Europaforschung der Universität des Saarlandes, durfte diese dankenswerter Weise mit Zustimmung von Timo Stockhorst (Europäische Akademie Otzenhausen) und Stephanie Stark (Europe-Direct der Landeshauptstadt Saarbrücken) aufzeichnen und hat uns nun diesen Mitschnitt zur Verfügung gestellt. Wir freuen uns, allen die leider nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten, sich aber dennoch dafür interessieren, diesen Mitschnitt nun hier zur Verfügung stellen zu können. Allen Beteiligten, die dies ermöglicht haben, möchten wir an dieser Stelle dafür danken.

Am 26.11.2020 nahm Prof. Giegerich gemeinsam mit Karl-Heinz Lambertz, dem Präsidenten des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, an einem „Online-Meeting mit Europa“ teil, das federführend von der Europa-Union Saar organisiert wurde. Die Diskussionsleitung hatte die Landesvorsitzende Margriet Zieder-Ripplinger. Zwei miteinander verknüpfte Themenbereiche wurden besprochen: Die Aufwertung der grenzüberschreitenden Europäischen Großregionen, insbesondere der hiesigen Großregion Saar-Lor-Lux, und die weitere Demokratisierung der EU im Allgemeinen. Diskussionsgrundlage war ein von der Europa-Union Saar vorgelegter Forderungskatalog „Für ein föderales und demokratisches Europa der Regionen“. Dieser soll auch in die geplante Konferenz zur Zukunft Europas eingebracht werden, deren für 2020 geplanter Beginn wegen der Corona-Pandemie verschoben worden ist.

Prof. Giegerich nahm das Projekt von grenzüberschreitenden Großregionen als neuartigen europäischen Gebietskörperschaften an den Binnengrenzen der EU positiv auf, insbesondere auch die Forderung, diese mit eigenen Budgets und eigenen Parlamenten auszustatten. In Deutschland würde Art. 24 Abs. 1a GG dafür eine verfassungsrechtliche Grundlage bieten. Er warnte jedoch davor, eine Direktwahl solcher Parlamente zu früh einzuführen, weil das eine niedrige Wahlbeteiligung mit delegitimierender Wirkung zur Folge haben könne. Es sei besser, zunächst mit Delegierten der Parlamente und Versammlungen der beteiligten Gebietskörperschaften zu arbeiten, bis solche europäischen Gebietskörperschaften sich als positive Neuerung fest im allgemeinen Bewusstsein etabliert hätten.

Die Forderung, verbliebene Einstimmigkeitserfordernisse im Rat abzubauen, unterstützte Prof. Giegerich angesichts der aktuell zu beobachtenden Vetospielereien mit der Zukunft der EU nachdrücklich. Die Einführung von transnationalen Listen und transnationalen Wahlkreisen, die die Wahl des Europäischen Parlaments zu einer echten europäischen Angelegenheit machen würde, wäre ein großer Fortschritt. Dazu müsste jedoch das Europawahlrecht geändert werden, was nach Art. 223 Abs. 1 UA 2 AEUV die Zustimmung aller Mitgliedstaaten voraussetzt. Ob diese dazu bereit sind, erscheint zweifelhaft, weil sie damit die Kontrolle über die Europawahl zumindest teilweise aufgeben würden. Die definitive Verankerung des Spitzenkandidatensystems bei der Bestimmung der Kommissionspräsidentschaft würde eine Änderung von Art. 17 Abs. 7 UA 1 EUV voraussetzen, die ebenfalls von alle Mitgliedstaaten mitgetragen werden müsste. Die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat haben sich bisher auf ein solches System nicht festlegen lassen wollen. Für europäische politische Parteien gibt es hingegen schon jetzt eine Grundlage in Art .10 Abs. 4 EUV und Art. 224 AEUV. Dass diese bisher praktisch keine große Rolle spielen, liegt daran, dass die nationalen politischen Parteien ihre Macht nicht abgeben wollen.

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