Der Referentenentwurf für ein deutsches Lieferkettengesetz – ein „Gesetz mit Zähnen“ oder doch nur ein zahnloser Tiger?

02.03.2021

Ein Beitrag von Katharina Koch*

Nachdem sich die Gespräche über ein deutsches Lieferkettengesetz[1] länger hinzogen, konnten sich Entwicklungsminister Müller, Arbeitsminister Heil und Wirtschaftsminister Altmaier nach Gesprächen mit der Bundeskanzlerin Merkel und dem Kanzleramtschef Braun Mitte Februar 2021 endlich auf einen Entwurf einigen.[2] Über diesen Referentenentwurf sollte im März im Kabinett beraten werden und noch in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bundestag abgestimmt werden.[3] Leider war diese Einigung nicht von langer Dauer, da das Wirtschaftsministerium nach wenigen Tagen seine Zustimmung zu dem Entwurf wieder zurückzog.[4]

Noch bei der Vorstellung der Einigung sprach Hubertus Heil davon, „das Lieferkettengesetz ist ein Gesetz mit Zähnen“.[5] Da das Wirtschaftsministerium im Vorfeld versucht hat, dieses Vorhaben zu blockieren,[6] überrascht diese Ankündigung und es stellt sich die Frage, ob der Entwurf des Lieferkettengesetz tatsächlich ein „Gesetz mit Zähnen“ oder vielmehr nur ein zahnloser Tiger ist. Zur Beantwortung dieser Frage soll dabei auch auf die Erfahrungen in Frankreich mit der Loi de vigilance (LdV)[7] eingegangen und auch ein Ausblick auf die aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene gegeben werden.

1. Welche Unternehmen sind überhaupt betroffen?

Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Referentenentwurfs[8] soll das Lieferkettengesetz nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmer:innen greifen. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes (also voraussichtlich ab dem 1. Januar 2024) soll diese Zahl gem. § 1 Abs. 1 S. 2 auf 1.000 Arbeitnehmer:innen gesenkt werden. Der deutsche Entwurf ist damit strenger als das französische Vorbild, das nur Unternehmen mit mehr als 5.000 Arbeitnehmer:innen trifft.[9] Dies erscheint zunächst begrüßenswert. Bei einer genaueren Betrachtung fällt aber auf, dass die Minister Müller und Heil ursprünglich eine Grenze von 500 Arbeitnehmer:innen vorgesehen hatten.[10] Damit konnten sie sich offensichtlich leider nicht durchsetzen.

In der Umsetzung wird die Grenze von nicht allzu großer Bedeutung sein, da sich die Sorgfaltspflichten nach § 3 Abs. 1 auch auf unmittelbare und mittelbare Zulieferer der Unternehmen erstreckt. Diese werden also indirekt eingeschlossen, sodass das Gesetz über die genannte Grenze hinaus weitere Unternehmen trifft. Zudem ist die Grenze niedriger als in anderen Regelungen wie der LdV und trifft dadurch auch schon deutlich mehr Unternehmen.

2. Auf welche Bereiche erstreckt sich die unternehmerische Sorgfaltspflicht?

Spannender ist hingegen die Frage, auf welche Bereiche sich die vom Entwurf vorgesehenen Sorgfaltspflichten erstrecken. Nach § 2 Abs. 2 und § 2 Abs. 3 bezieht sich die unternehmerische Sorgfaltspflicht auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen.

Die erfassten Menschenrechte, vor deren Verletzung der Gesetzesentwurf schützen möchte, werden sowohl im Anhang des Gesetzes als auch in § 2 Abs. 2 genauer beschrieben. Dazu zählen die beiden Kern-UN-Menschenrechtsverträge, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBürg) sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWirt). Daneben werden dort noch einige Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgeführt. Mit dieser expliziten Aufzählung erscheint das deutsche Gesetz zunächst viel präziser, ist dadurch aber auch enger als die LdV in Frankreich, welche die Unternehmen allgemein dazu anhält, die negativen Auswirkungen ihres Handelns auf die Menschenrechte zu erkennen und das Risiko entsprechend zu minimieren.[11] Ähnlich wie die LdV gehen auch die United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights (UNGP)[12] vor. Nach deren Principle 12 werden die Unternehmen dazu angehalten, sämtliche international anerkannte Menschenrechte zu achten und als Minimum werden dann die auch vom deutschen Entwurf genannten Verträge genannt. Dies schließt hier aber nicht andere menschenrechtliche Verträge aus, sondern legt durch die Nennung der UN- und ILO-Verträge nur ein Minimum fest. Auch wenn die Aufzählung im deutschen Entwurf diesem Mindeststandard entspricht und schon die wesentlichen Bereiche adressiert, wäre hier ein umfassender Schutz sinnvoller, da mit einem generalisierenden Ansatz keine Schutzlücken bestehen.

Im Bereich des Umweltschutzes ist der Ansatz des Entwurfs noch dürftiger als im Bereich der Menschenrechte. Nach § 2 Abs. 3 bezieht sich der Entwurf hier ausschließlich auf das Minamata-Übereinkommen[13] und die negativen Folgen von Quecksilber sowie auf das Stockholmer-Übereinkommen[14] und die negativen Folgen von persistenten organischen Schadstoffen. Positiv zu bewerten ist an dieser Stelle, dass der Vorschlag überhaupt den Umweltschutz miteinbezieht. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da gerade auch Umweltschäden die Lebensgrundlage von Menschen und Tieren zerstören und damit in gleicher Weise wie Menschenrechtsverletzungen schädlich sind. Vor diesem Hintergrund ergibt sich nicht, wieso hier eine Beschränkung auf diese Umweltsschäden vorgenommen wurde. Gerade im Vergleich mit der LdV ist dies eine Schwächung, da diese generell auf negative Folgen auf die Umwelt Bezug nimmt.[15]

Es bleibt in diesem Zusammenhang also festzuhalten, dass sowohl für den Bereich der Menschenrechte als auch für den Umweltschutz eine allgemeine Regelung wie die in der LdV überzeugender gewesen wäre und der punktuelle Ansatz, den der Entwurf vorsieht, aufgrund möglicher Schutzlücken nicht überzeugt.[16] Hier hätte der deutsche Entwurf sich eher an den generalisierenden Wertungen unter anderem der LdV orientieren sollen und ist in diesem Punkt ein eher zahnloser Tiger.

3. Welche Pflichten haben die Unternehmen?

In dem Entwurf werden dann die Pflichten der Unternehmen konkretisiert. Dazu zählt neben einem Risikomanagement (vgl. § 4) eine Risikoanalyse (vgl. § 6), sowie das Verfassen einer Grundsatzerklärung (§ 7). Weiterhin werden dann auch mögliche Abhilfemaßnahmen (vgl. § 8) aufgeführt. Ähnlich wie in der LdV geregelt enthält der Entwurf schließlich auch Dokumentations- und Berichtspflichten (vgl. § 11).

Aufgrund dieser Vielzahl von Pflichten erscheint der Pflichtenkanon im Referentenentwurf deutlich umfangreicher ist als derjenige in der französischen LdV. Diese verpflichtet die Unternehmen zur Aufstellung eines sog. plan de vigilance, in dem die Unternehmen ihre Risikoanalyse und -bewertung vornehmen.[17] Der deutsche Entwurf geht hier jedoch weiter, indem er die Unternehmen zu Abhilfemaßnahmen verpflichtet und auch ausführt, wie diese insbesondere bei Verletzungen durch die unmittelbaren Zulieferer aussehen können.[18] Dazu zählt gem. § 8 Abs. 2 S. 2, die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung eines Plans zur Behebung des Missstandes, der Zusammenschluss mit anderen Unternehmen, um den Einfluss auf den Verursacher zu erhöhen und als ultima ratio die temporäre Aussetzung der Geschäftsbeziehung.

Zudem enthält der deutsche Entwurf in § 5 eine Aufzählung, was als Risiko einzustufen ist und um welche Verletzungen es konkret gehen sollen. Diese Liste ist jedoch nicht abschließend, da es dort unter § 5 S. 2 Nr. 13 heißt, dass zu den Verletzungen auch „jedes weitere Tun oder Unterlassen [zählt], dass geeignet ist, in besonders schwerwiegender Weise die in § 2 Absatz 2 genannten Rechtspositionen zu verletzen oder gegen eine der in § 2 Absatz 3 genannten umweltbezogenen Pflichten zu verstoßen und dessen Rechtswidrigkeit bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.“ Damit wird deutlich, dass nicht ausdrücklich aufgeführte weitere Risiken relevant werden können und es auch diese Risiken zu erkennen gilt.

Die erkannten Risiken sollen dann von den Unternehmen im Rahmen einer Risikoanalyse entsprechend § 6 ermittelt werden. Dabei spricht § 6 Abs. 1 nur vom eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens und dem der unmittelbaren Zulieferer. Letztere werden in § 2 Abs. 5 Nr. 2 legaldefiniert und sind die Vertragspartner, die für die Herstellung des betreffenden Produktes oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind. Dadurch wird der Bereich, der von dem Unternehmen überprüft werden muss, sehr stark eingegrenzt, da es nur den eigenen Bereich und den der direkten Vertragspartner betrifft. Dies stellt eine Änderung zu den ersten Vorschlägen des Bundesarbeitsministers und des Bundesentwicklungsministers dar. Beide wollten diese Pflicht wie beispielsweise auch von den UNGP und dem LdV vorgesehen, auf die gesamte Lieferkette ausweiten.[19]

Viele Lieferketten bestehen gerade nicht nur aus zwei Vertragspartnern, sondern aus einer komplexen Kette. Beschränkt man die Risikoanalyse auf den Bereich der unmittelbaren Zulieferer, wird nur in einem sehr engen Rahmen das Risiko ermittelt und bewertet. Oftmals liegt dieses Risiko auch gar nicht bei den unmittelbaren Vertragspartnern, sondern gerade ganz am Anfang der Lieferkette bei dem schwächsten Glied der Kette in einem Entwicklungsland.[20] Dieser naheliegende Umstand wird aber aus dem Entwurf ausgeklammert.

Daneben birgt eine solche Einschränkung die Gefahr eines Missbrauchs und der Umgehung. Dies will der Gesetzentwurf zwar durch die Klarstellung verhindern, dass bei einer missbräuchlichen Gestaltung der Lieferkette oder einem Umgehungsgeschäft, auch mittelbare Zulieferer als unmittelbare Zulieferer gelten.[21] Allerdings müssen hierfür Anzeichen vorliegen.[22] Um hier etwaige Unsicherheiten und Probleme zu vermeiden, wäre an dieser Stelle eine umfassende Regelung sinnvoll gewesen, die alle Zulieferer einbezieht.

Neben der Risikoanalyse sollen die betroffenen Unternehmen gem. § 7 eine Grundsatzerklärung verabschieden. Diese soll gem. § 7 Abs. 2 das Verfahren, wie das Unternehmen seiner Sorgfaltspflicht nachkommt, beschreiben und die festgestellten Risiken aufführen. Darüber hinaus sollen dort nach § 7 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 auch die Erwartungen an die Beschäftigten und Zulieferer aufgeführt werden. Es werden dann verschiedene Präventionsmaßnahmen sowohl für den eigenen Geschäftsbetrieb als auch für die unmittelbaren Zulieferer genannt.[23] An diesem Punkt ist der Entwurf deutlich präziser als die LdV. Den Fokus auch auf die Prävention zu legen, erscheint wichtig, da es das Ziel sein muss, nach Möglichkeit Menschenrechtsverletzungen bereits zu verhindern.

Ähnlich überzeugend ist an dieser Stelle auch die Nennung von Abhilfemaßnahmen in § 8. Demnach werden Unternehmen verpflichtet unverzüglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Verletzung eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.[24] Es wird ausgeführt, wie diese Abhilfe aussehen kann und in § 8 Abs. 2 S. 2 genauer erläutert, was gerade auch bei Verletzungen durch unmittelbare Zulieferer gemacht werden soll. Wie bereits ausgeführt zählt dazu die Erarbeitung und Umsetzung eines Plans zur Behebung des Missstandes, ein Zusammenschluss mit anderen Unternehmen, um Einflussmöglichkeiten zu erhöhen und letztlich das temporäre Aussetzen der Geschäftsbeziehung. Eine solche Regelung, die explizit vorsieht, was zu tun ist, gibt den Unternehmen eine gewisse Leitlinie an die Hand und verhindert, dass sich die Unternehmen damit herauszureden versuchen, dass sie nicht gewusst hätten, was sie tun sollten. Jedoch ist zu beachten, dass es auch hier wieder eine Einschränkung hinsichtlich der mittelbaren Zulieferer gibt. Dort greift gem. § 8 Abs. 1 S. 3 die Pflicht zu Abhilfemaßnahmen nur, wenn das Unternehmen von Verletzungen bzw. Risiken Kenntnis hatte bzw. die dafür erforderlichen Informationen angemessen ermitteln kann. Damit wird den Unternehmen eine Möglichkeit geboten, sich mit Nichtwissen einem Handeln zu entziehen. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso die Pflicht Abhilfe zu leisten nicht auch bei Verletzungen durch mittelbare Zulieferer greifen soll, sodass hier eine umfassendere Pflicht wünschenswert gewesen wäre.

4. Angemessenheit

Gem. § 3 des Entwurfs sollen die Sorgfaltspflichten in angemessener Weise von den Unternehmen beachtet werden. Dies wird in § 2 Abs. 6 genauer beschrieben und meint demnach, dass sich das Handeln des Unternehmens nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, nach dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung, nach der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung und nach Art des Verursachungsbeitrags zu dem Risiko bestimmen soll.

Auch wenn Unternehmen nicht in sämtlichen Bereichen ihren Einfluss gelten machen können und nicht im letzten Detail über alle Vorgänge bei ihren Geschäftspartnern und innerhalb der gesamten Lieferkette Bescheid wissen können, ist eine solche Angemessenheitsprüfung kritisch zu beurteilen. Sie ermöglicht Unternehmen sich ihren Verpflichtungen mit dem Hinweis darauf zu entziehen, dass sie keinen Einfluss hätten und sie auch nichts zu der Verletzung beigetragen hätten. Vielmehr wären dies Punkte, die im Rahmen einer möglichen Sanktion eine Rolle spielen sollten, aber noch nicht bei der Frage, ob eine Sorgfaltspflicht besteht oder nicht.

5. Durchsetzung

Natürlich spielen die Durchsetzung und Überwachung dieser Pflichten eine gewichtige Rolle. Denn nur wenn die Einhaltung dieser Pflichten überwacht und kontrolliert wird, kann das Gesetz erfolgreich sein. Dazu wird in dem Entwurf auf verschiedenen Ebenen angesetzt.

a. Unternehmensinterne Überwachung

Anders als die LdV sieht der deutsche Entwurf in § 9 vor, dass die Unternehmen eine Beschwerdestelle einrichten sollen. Dadurch erhalten Betroffene[25] die Möglichkeit sich mit ihrer Beschwerde an das Unternehmen zu wenden und dieses über bestehende Probleme zu informieren. Die Wirksamkeit des Verfahrens soll dabei gem. § 9 Abs. 4 mindestens einmal jährlich überprüft und es ggfs. aktualisiert werden. Eine solche interne Kontrolle und Beschwerdemöglichkeit überzeugt, da sie es den Betroffenen ermöglicht, sich unmittelbar an das Unternehmen zu wenden. Dies kann wesentlich dazu beitragen, dass Abhilfe geleistet werden kann. Ein solches zentrales Verfahren trägt dazu bei, dass Zuständigkeiten klar definiert werden und für Betroffene offenkundig ist, wer Ansprechpartner ist. Diese Verpflichtung stärkt also wesentlich die Position der Betroffenen.[26]

Ein weiterer Aspekt, der im Rahmen der Durchsetzung eine Rolle spielt, ist die Kontrolle von außen. Deshalb werden den Unternehmen gem. § 11 Abs. 1 Dokumentations- und Berichtspflichten auferlegt. Diese Berichte müssen gem. § 11 Abs. 4 S. 1 dann für sieben Jahre auf der Internetseite kostenfrei veröffentlicht werden. Das ähnelt dabei sehr dem Vorgehen in der LdV, die ebenfalls vorsieht, dass die Unternehmen ihre plans de vigilance veröffentlichen.[27] Dadurch wird nämlich eine externe Kontrolle durch NGO und andere zivilgesellschaftliche Akteure ermöglicht. Allerdings ist dies in dem deutschen Entwurf etwas abgeschwächt. Zum einen wird hier ein Zeitfenster vorsehen, da die Berichte nur sieben Jahre veröffentlicht werden müssen. Allerdings sind sieben Jahre eine relativ lange Zeit und sollten für eine effektive externe Kontrolle ausreichen. Zum anderen soll bei der Veröffentlichung gem. § 11 Abs. 4 S. 2 Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Rechnung getragen werden. Dies ermöglicht es Unternehmen Abschnitte in dem Bericht zu schwärzen bzw. bestimmte Informationen gar nicht mit aufzunehmen, da sie als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gelten. Selbstverständlich muss dieses Interesse der Unternehmen berücksichtigt werden. Dies sollte aber die Berichts- und Dokumentationspflicht nicht untergraben.

b. Behördliche Durchsetzung

Gerade im Rahmen der behördlichen Durchsetzung zeigt sich der deutsche Entwurf deutlich strenger als beispielsweise die französische LdV. Dies liegt vor allem daran, dass die Unternehmen gem. § 13 Abs. 1 ihren Bericht beim gem. § 20 zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle elektronisch einreichen müssen. Das Bundesamt prüft den Bericht dann gem. § 14 Abs. 1 und kann gem. § 14 Abs. 2 ggfs. auch eine Nachbesserung innerhalb einer angemessenen Pflicht anordnen. Daneben erhält die Behörde viele weitere Befugnisse, wie beispielsweise die Möglichkeit, konkrete Maßnahmen anzuordnen (vgl. § 16), Betretensrechte (vgl. § 17) und auch Auskunftsrechte (§ 18). Zudem müssen die Unternehmen mit der Behörde zusammenarbeiten und haben die von der Behörde angeordneten Maßnahmen zu dulden und mitzuwirken (§ 19).

Damit geht der Entwurf deutlich weiter als die LdV. Dort wird nur gefordert, dass der Plan veröffentlicht wird. Eine darüber hinaus gehende Prüfung durch eine staatliche Stelle wird dort nicht vorgesehen. Dies ist auch ein gravierender Schwachpunkt der französischen Regelung, sodass es wichtig ist, dass der deutsche Entwurf in dieser Hinsicht weitergeht. Die des Weiteren vorgesehenen Rechte der Behörde zur Prüfung und Ergreifung von Maßnahmen erscheinen in gleicher Weise wichtig, damit sich die Behörde ein eigenes Bild machen und möglichst effektiv an der Lösung des Problems mitarbeiten kann.

Daneben sieht der Entwurf in § 25 Abs. 1 einen Katalog mit Ordnungswidrigkeiten vor, die mit einem Bußgeld sanktioniert werden sollen. Zu diesen Ordnungswidrigkeiten zählen beispielsweise eine nicht erfolgte bzw. nicht vollständig erfolgte Risikoanalyse, die Nichtergreifung von Abhilfemaßnahmen, oder aber auch die nicht erfolgte Dokumentation. Im Wesentlichen wird also die Nichtbeachtung der vorgesehenen Pflichten als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die Höhe des Bußgeldes soll sich dabei gem. § 25 Abs. 3 am erzielten Gesamtumsatz des Unternehmens orientieren. Dies kann die betroffenen Unternehmen empfindlich treffen.

Geregelt wird aber, dass die Unternehmen nach § 23 für bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen diese Verpflichtungen verstoßen. Leider ist auch an dieser Stelle unklar, wann genau diese Sanktion möglich sein soll, da dies nach § 23 Abs. 1 S. 1 von der Höhe des Bußgelds abhängig gemacht werden soll. Ein solcher Ausschluss kann die Unternehmen hart treffen und sich daher als besonders wirksam erweisen.

c. Gerichtliche Durchsetzung

Im Bereich der gerichtlichen Durchsetzung der Sorgfaltspflichten sieht der Entwurf in § 12 vor, dass Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen für Betroffene in Prozessstandschaft klagen können. Das ist bisher nicht möglich und eine der Ursachen dafür, dass es in diesem Bereich wenig Klagen auf Schadensersatz vor deutschen Gerichten gibt. Es entspricht nämlich nicht der Lebenswirklichkeit der Betroffenen, ein Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten einzuleiten.[28] Aus diesem Grund kann eine solche Prozessstandschaft ein guter und wichtiger Schritt sein.

Im Interesse der Effektivität wäre eine ausdrückliche zivilrechtliche Haftung der Unternehmen für einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten erforderlich.[29] Eine solche war ursprünglich auch angedacht,[30] wurde dann aber als Teil des Kompromisses wieder gestrichen, sodass nur die allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsnormen zur Anwendung kommen können. Damit unterscheidet sich der Entwurf deutlich von der LdV, die eine solche ausdrücklich Haftung für die Nichtaufstellung des plan de vigilance kennt.[31] Auch wenn diese Regelung aufgrund der hohen Voraussetzungen nicht wirklich effektiv ist, ist eine solche doch wichtig.[32] Den Betroffenen wird nur dann geholfen, wenn sie für den entstandenen Schaden Schadensersatz verlangen können. Hier zeigt sich der deutsche Entwurf als sehr harmlos.

6. Zusammenfassung

Ist das deutsche Gesetz nach alledem nun ein „Gesetz mit Zähnen“[33] und der von den beteiligten Ministern versprochene und von vielen erhoffte Durchbruch? Leider ist es das eher nicht. Dies liegt wie gesehen vor allem daran, dass keine zivilrechtliche Haftung für die Unternehmen bei Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten vorgesehen ist, dass sich die Sorgfaltspflichten nur auf bestimmte menschenrechtliche und umweltschützende Verträge beziehen und dass das Gesetz nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmer:innen bzw. 1.000 Arbeitnehmer:innen erfasst. Ein weiterer Schwachpunkt ist darüber hinaus, dass in die Risikoanalyse nur der eigene Geschäftsbereich und derjenige der unmittelbaren Zulieferer einfließen soll, was aufgrund der Komplexität der Lieferketten nicht ausreicht. Aus diesen Gründen ist dieses Gesetz nicht der erhoffte und von der Politik angekündigte Meilenstein. Enttäuschend ist dies vor allem, da einige dieser Punkte ursprünglich einmal vorgesehen waren und im Laufe der Verhandlung abgeschwächt wurden.

Bei aller (berechtigten) Kritik sollte aber nicht vergessen werden, dass durch das Gesetz erstmals deutsche Unternehmen dazu verpflichtet werden, sich mit den Auswirkungen ihres Handelns auf Menschen und Umwelt innerhalb ihrer Lieferkette zu beschäftigen, und dass sie bei möglichen Verstößen Abhilfe leisten müssen. Die erforderlichen Abhilfemaßnahmen werden dabei auch benannt. Diese Verpflichtungen werden mit einer relativ robusten und umfangreichen behördlichen Kompetenz zur Durchsetzung ergänzt. Wenn die Behörde in davon entsprechend Gebrauch macht und die Unternehmen stetig an ihren Verpflichtungen misst, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dies ist auch ein Fortschritt im Vergleich zur französischen Regelung, die zwar umfassendere Pflichten vorsieht, aber deren Durchsetzung sich als relativ ineffektiv darstellt. In dieser Hinsicht ist also ein deutlicher Fortschritt zu sehen.

Die abgeschwächten Pflichten können längerfristig gedacht vielleicht auch ein Vorteil sein. Denn gerade in diesem Bereich ist es wichtig, dass die Unternehmen die Entwicklung mittragen und umsetzen, da davon maßgeblich Erfolg oder Misserfolg einer Regelung abhängen. Dies hat sich auch bei den UNGP gezeigt, die zwar soft law und damit nicht verbindlich sind,[34] aber dennoch viel Anerkennung und Beachtung finden und dadurch schon zu einem Umdenken beigetragen haben. Dieses Umdenken zeigt sich jetzt letztlich auch darin, dass es überhaupt zu diesem Gesetzesentwurf in Deutschland gekommen ist und sich mittlerweile auch ein europäisches Lieferkettengesetz auf EU-Ebene abzeichnet.[35] Mit diesen Bestrebungen wird das Umdenken weiter forciert.

Diese Entwicklung gilt es dann mit diesem Gesetz, sofern die aktuellen Bemühungen des Arbeitsministeriums Früchte tragen[36] und es in den nächsten Wochen noch zu einer Einigung kommt, durch eine konsequente Umsetzung weiter zu begleiten und weiter zu forcieren. Wenn dies in den kommenden Jahren geschieht, kann aus dem aktuell noch recht zahnlosen Tiger ein „Gesetz mit Zähnen“[37] werden.


* Dipl.-Jur. Katharina Koch, LL.M. war wissenschaftliche Hilfskraft und Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Thomas Giegerich, Universität des Saarlandes.

[1] Nach dem Referentenentwurf soll das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ („Sorgfaltspflichtengesetz“) heißen. Da der Bezeichnung Lieferkettengesetz geläufiger ist, wird diese in dem Text verwendet.

[2] LTO, Standards werden Pflicht, 12.02.2021, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lieferkettengesetz-entwurf-kabinett-bussgelder-klagebefugnis-haftung-mittelstand/ (25.02.2021); Zeit, Ministerien einigen sich auf Lieferkettengesetz, 12.02.2021, https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-02/lieferkettengesetz-bundesregierung-minister-einigung-menschenrechte-bussgeld-haftungsregeln (25.02.2021).

[3] LTO, Standards werden Pflicht, 12.02.2021, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lieferkettengesetz-entwurf-kabinett-bussgelder-klagebefugnis-haftung-mittelstand/ (25.02.2021)

[4] Goffard, Daniel, Es kracht gewaltig zwischen Altmaier und Heil, 18.02.2021, https://www.wiwo.de/politik/deutschland/keine-einigung-beim-lieferkettengesetz-es-kracht-gewaltig-zwischen-altmaier-und-heil/26927614.html (26.02.2021); Das Wirtschaftsministerium hat sein Vorgehen demnach damit begründet, dass der veröffentliche Entwurf nicht dem besprochenen Entwurf entsprochen habe.

[5] Westdeutsche Zeitung, Wird es ein „Lieferkettengesetz mit Zähnen“?, 12.02.2021, https://www.wz.de/wirtschaft/menschenrechte-wird-es-ein-lieferkettengesetz-mit-zaehnen_aid-56225803

[6] Koch, Moritz/Neuerer, Dietmar/Specht, Frank, Gegen Kinderarbeit und Umweltzerstörung: Wirtschaftsminister Altmaier blockiert Lieferkettengesetz, 04.02.2021, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/menschenrechte-gegen-kinderarbeit-und-umweltzerstoerung-wirtschaftsminister-altmaier-blockiert-lieferkettengesetz/26878862.html?ticket=ST-5729760-Q3VYhVziH0a9MRqLcaJA-ap6 (25.02.2021).

[7] Loi n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d’ordre, JORF n° 0074 du 28/03/2017, https://www.legifrance.gouv.fr/download/pdf?id=9aawcYcwvkntYs2UUCMWL4iX_erjixoTD_Jy3AVXRFk= (25.02.2021)

[8] Der Referentenentwurf ist hier abrufbar: https://www.wiwo.de/downloads/26927976/3/lieferkettengesetz-sorgfaltspflichtengesetz.pdf (25.02.2021.

[9] Vgl. ausführlicher zur Loi de vigilance: Koch, Katharina, Die französische Loi de vigilance als Beispiel für ein deutsches oder europäisches Lieferkettengesetz?, Oktober 2020, https://jean-monnet-saar.eu/?page_id=2818 (25.02.2021).

[10] Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Entwurf für Eckpunkte eines Bundesgesetzes über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz), 10.03.2020, https://www.magdeburg.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/4901392/ccf5f12763940a80bb30ae3838a94372/eckpunkte-fuer-sorgfaltspflichtengesetz-data.pdf.

[11] Vgl. L225-102-4 Code de commerce.

[12] UNHCR, United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights, 2011, http://www.ohchr.org/Documents/Publications/GuidingPrinciplesBusinessHR_EN.pdf (25.02.2021); vgl. dazu insbesondere Principle 12 UNGP

[13] Übereinkommen von Minamata vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber vom 11. Juni 2017, BGBl. 2017 II Nr. 14 S. 610.

[14] Stockholmer Abkommen über persistente organische Schadstoffe vom 17. Mai 2004, BGBl. 2009 II Nr. 33 S. 1126.

[15] Vgl. Art. L225-102-4 Code de commerce.

[16] Krebs, David, Der Entwurf für ein Lieferkettengesetz, 21. Februar 2021, https://verfassungsblog.de/immerhin-ein-kompromiss/ (01.03.2021).

[17] Vgl. Art. L225-102-4 Code de commerce.

[18] Vgl. dazu § 8 des Gesetzesentwurfs.

[19] Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Entwurf für Eckpunkte eines Bundesgesetzes über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz), 10.03.2020, https://www.magdeburg.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/4901392/ccf5f12763940a80bb30ae3838a94372/eckpunkte-fuer-sorgfaltspflichtengesetz-data.pdf.

[20] Krebs, David, Der Entwurf für ein Lieferkettengesetz, 21. Februar 2021, https://verfassungsblog.de/immerhin-ein-kompromiss/ (01.03.2021).

[21] Dies wird in § 2 Abs. 5 S. 2 des Entwurfs geregelt.

[22] Es heißt dazu in § 2 Abs. 5 S. 2: „In Fällen, in denen es Anzeichen dafür gibt, dass eine missbräuchliche Gestaltung der Lieferkette oder ein Umgehungsgeschäft vorgenommen wurde […]“.

[23] Vgl. dazu § 7 Abs. 3 und Abs. 4.

[24] Vgl. dazu § 8 Abs. 1 S. 1.

[25] § 9 Abs. 1 S. 1 spricht an dieser Stelle von „Personen, die durch wirtschaftliche Tätigkeiten [des Unternehmens im] eigenen Geschäftsbereich, in [der] Lieferkette oder in sonstiger Weise von der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens oder [der] Lieferkette unmittelbar betroffen sind oder in einer geschützten Rechtsposition verletzt sein können, sowie Personen, die Kenntnis von der möglichen Verletzung haben“.

[26] Kritisch hierzu ist: Krebs, David, Der Entwurf für ein Lieferkettengesetz, 21. Februar 2021, https://verfassungsblog.de/immerhin-ein-kompromiss/ (01.03.2021).

[27] Vgl. Art. L225-102-4 Code de commerce.

[28] LTO, Standards werden Pflicht, 12.02.2021, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lieferkettengesetz-entwurf-kabinett-bussgelder-klagebefugnis-haftung-mittelstand/ (25.02.2021)

[29] Krebs, David, Der Entwurf für ein Lieferkettengesetz, 21. Februar 2021, https://verfassungsblog.de/immerhin-ein-kompromiss/ (01.03.2021).

[30] Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Entwurf für Eckpunkte eines Bundesgesetzes über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz), 10.03.2020, https://www.magdeburg.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/4901392/ccf5f12763940a80bb30ae3838a94372/eckpunkte-fuer-sorgfaltspflichtengesetz-data.pdf.

[31] Vgl. L225-102-5 Code de commerce.

[32] Koch, Katharina, Die französische Loi de vigilance als Beispiel für ein deutsches oder europäisches Lieferkettengesetz?, Oktober 2020, https://jean-monnet-saar.eu/?page_id=2818 (25.02.2021).

[33] Westdeutsche Zeitung, Wird es ein „Lieferkettengesetz mit Zähnen“?, 12.02.2021, https://www.wz.de/wirtschaft/menschenrechte-wird-es-ein-lieferkettengesetz-mit-zaehnen_aid-56225803.

[34] Spießhofer, Birgit, in : Hauschka, Christoph/Moosmayer, Klaus/Lösler, Thomas, Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 17.

[35] Vgl. zum aktuellen Stand auf Europäischer Ebene: https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2020/2129(INL)&l=en (26.02.2021).

[36] Teevs, Christian, Es kracht zwischen Heil und Altmaier, 17.02.2021, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/lieferkettengesetz-krach-zwischen-peter-altmaier-und-hubertus-heil-a-cc1dcaf4-c0a7-4a2d-a1f7-40d5669b79aa (01.03.2021).

[37] Westdeutsche Zeitung, Wird es ein „Lieferkettengesetz mit Zähnen“?, 12.02.2021, https://www.wz.de/wirtschaft/menschenrechte-wird-es-ein-lieferkettengesetz-mit-zaehnen_aid-56225803.

Suggested Citation: Koch, Katharina, Der Referentenentwurf für ein deutsches Lieferkettengesetz: ein „Gesetz mit Zähnen“ oder doch nur ein zahnloser Tiger?, jean-monnet-saar 2021, DOI: 10.17176/20220530-103623-0

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