Die Vorteile einer umgekehrten Vorlagemöglichkeit zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten
Ein Beitrag von Vinzenz Boddenberg*
Fast drei Jahre sind seit dem viel beachteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Public Sector Purchase Programme (PSPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) vergangen. Das Gericht wertete das Handeln der EZB sowie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als einen ausbrechenden Rechtsakt und stellte fest, dass das Handeln der Union nicht mehr vom deutschen Zustimmungsgesetz zu den EU-Verträgen gedeckt sei.[1] Nach einer Stellungnahme der Bundesregierung hat die Europäische Kommission das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt, das sie aufgrund des PSPP-Urteils gegen die Bundesrepublik eingeleitet hatte.[2]
Wenig später äußerte der polnische Verfassungsgerichtshof Zweifel an der Befugnis des EuGH zur letztverbindlichen Entscheidung über Unionsrecht.[3] In seinem Verdikt, welches das europäische Kompetenzgefüge grundsätzlich infrage stellt[4], bezieht sich das Gericht mehrfach auf das PSPP-Urteil des BVerfG.
Die (Fehl-)Entscheidung des BVerfG zum Anleihenkaufprogramm der EZB ist bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen.[5] Teilweise werden die Maßstäbe der Ultra-vires-Rechtsprechung des BVerfG kritisiert.[6] Andere bedauern, dass es von einer erneuten Vorlage abgesehen hat.[7] Wieder andere suchen die Verantwortung beim EuGH, der mit seiner Auslegung des Art. 5 Abs. 4 EUV ein fehlerhaftes Verständnis der kompetenzbezogenen Verhältnismäßigkeit anwende.[8]
Statt die Frage, wer die Verantwortung für die Eskalation des gerichtlichen Konflikts trägt, zu beleuchten, wagt dieser Beitrag einen Blick nach vorne: Wie kann der gerichtliche Dialog optimiert werden, um einen Konfliktfall in Zukunft zu vermeiden? Es soll ein konstruktiver Beitrag zur optimalen Nutzung der Kooperation zwischen den nationalen Höchstgerichten und dem EuGH geleistet werden. Dabei soll insbesondere der Mehrwert des Vorschlags zur Schaffung einer umgekehrten Vorlagefrage durch den EuGH diskutiert werden. Der Untersuchungsgegenstand ist der gerichtliche Konflikt zwischen dem EuGH und den mitgliedsstaatlichen Höchstgerichten über die Inanspruchnahme nationaler Kontrollvorbehalte zur Überprüfung der Kompetenzmäßigkeit des Handelns europäischer Organe (A.). Es werden die bestehenden Strukturen des Dialogs zwischen den mitgliedstaatlichen Höchstgerichten und dem EuGH dargestellt (B.). Im Anschluss werden Vorschläge zur Verbesserung der gerichtlichen Kooperation erläutert und bewertet (C.).
A. Der Jurisdiktionskonflikt
Das Bundesverfassungsgericht nimmt für sich in Anspruch, über die Kompetenzmäßigkeit des Handelns von Unionsorganen unter bestimmten Voraussetzungen auch abweichend vom EuGH entscheiden zu können (Ultra-vires-Akt). Im Honeywell-Beschluss hat das BVerfG seine Rechtsprechung konkretisiert, unter welchen Bedingungen das Handeln europäischer Organe als verfassungswidrig einzustufen ist. Eine Kompetenzüberschreitung durch ein Organ der Europäischen Union erfolge im nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1, 20 GG), wenn sie offensichtlich gegen die Kompetenzordnung verstößt und dieser Verstoß eine strukturell bedeutsame Kompetenzverschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten nach sich zieht.[9] Als Ausfluss des gerichtlichen Kooperationsverhältnisses ist die bundesverfassungsgerichtliche Vorgabe zu werten, dass vor Annahme eines Ultra-vires-Akts ein Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) einzuleiten ist, um dem EuGH Gelegenheit zu geben, zu den unionsrechtlichen Implikationen Stellung zu nehmen.[10] Ob das BVerfG seinen eigenen Maßstäben im PSPP-Urteil gerecht wurde, kann an dieser Stelle offen bleiben. Jedenfalls stellte es fest, der EuGH habe die europäische Kompetenzordnung in offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Weise zu Lasten der Mitgliedstaaten verletzt, als er den Beschluss des EZB-Rates zum PSPP-Programm billigte.[11]
Da sich das BVerfG eine Reservebefugnis zur Beurteilung der Kompetenzmäßigkeit des Handelns von Unionsorganen vorbehält, beansprucht es die letztverbindliche Entscheidung über die Geltung von Urteilen des EuGH in der Bundesrepublik. Denn solange das BVerfG daran festhält, die Annahme eines Ultra-vires-Akts benötige die Vorabentscheidung des EuGH, geht ein entsprechendes Verdikt stets mit der Kompetenzwidrigkeit des EuGH-Urteils einher. Indem also das BVerfG im Honeywell-Beschluss den gerichtlichen Dialog über das Vorabentscheidungsverfahren institutionalisieren wollte, schuf es zugleich eine Möglichkeit der beispielslosen Konflikteskalation. Statt das Handeln eines Unionsorgans zu bewerten, muss nunmehr zugleich das Urteil des EuGH methodisch völlig unvertretbar sein[12] – eine Einstufung, die konfrontativ anmutet.
Neben dem BVerfG nehmen auch andere nationale Höchstgerichte Reservebefugnisse zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit unionalen Handelns in Anspruch.[13] Einige Verfassungsgerichte haben bereits vor dem BVerfG ein EuGH-Urteil als Ultra-vires-Akt eingestuft.[14] Der Beitrag bezieht sich also nicht nur auf das Konfliktverhältnis zwischen dem deutschen BVerfG und dem EuGH, sondern auf den Konflikt zwischen dem EuGH und nationalen Höchstgerichten im Allgemeinen.
Auch der EuGH beansprucht, letztverbindlich über die Rechtmäßigkeit von Unionsakten entscheiden zu können.[15] Das Unionsrecht habe sich als eigenständige Rechtsordnung vom Recht der Mitgliedstaaten emanzipiert.[16] Flankiert wird diese auf Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV gestützte Auslegung des EuGH durch Art. 344 AEUV, wonach die Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung der Verträge nur durch die Verträge selbst geregelt werden kann.[17] Insoweit bestehe gerade kein Kontrollzugriff durch nationale Höchstgerichte, auch nicht durch das europaweit hoch angesehene BVerfG.
Nach dem Gesagten könnte man annehmen, es handele sich nicht um einen Letztentscheidungskonflikt, da beispielsweise das BVerfG am Maßstab der deutschen Verfassung und dem deutschen Zustimmungsgesetz prüft, ob ein ausbrechender Rechtsakt anzunehmen ist, während der EuGH anhand des Primärrechts über die Rechtmäßigkeit unionalen Handelns entscheidet.[18] Dann würde ein gerichtlicher Dialog kaum Früchte tragen. Denn der EuGH sieht sich weder an das Grundgesetz noch an das deutsche Zustimmungsgesetz gebunden, sondern einzig an das europäische Primärrecht (vgl. Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV). Allerdings wird das europäische Primärrecht jedenfalls mittelbar zum Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Über die Brücke des Zustimmungsgesetzes muss das BVerfG die europäischen Kompetenzvorschriften prüfen, die als Anhang zum Zustimmungsgesetz auch in Deutschland Rechtskraft entfalten.[19]
Ausgehend von den deckungsgleichen Prüfungsmaßstäben handelt es sich folgerichtig um einen echten Letztentscheidungskonflikt, dem im Wege eines gerichtlichen Dialogs begegnet werden kann. Die optimale Nutzung des gerichtlichen Dialogs zwischen den nationalen Höchst- bzw. Verfassungsgerichten und Luxemburg ist daher elementar, wenn man eine rechtlich verbindliche Entscheidung über das Letztentscheidungsmonopol zur Beurteilung der Kompetenzmäßigkeit von Unionsakten vermeiden möchte. Eine solche Entscheidung erscheint angesichts der sich widersprechenden Auslegungsergebnisse der Kompetenzvorschriften rechtspolitisch unwahrscheinlich.
B. Der europäische „Verfassungsgerichtsverbund“
Kurz nach dem Erlass des BVerfG-Urteils zum Vertrag von Lissabon[20] prägte der an diesem Urteil beteiligte Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle den Begriff des „Verfassungsgerichtsverbundes“.[21] Er dient der Bezeichnung des dialogischen Kooperationsverhältnisses zwischen dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dem EuGH und dem BVerfG. Kennzeichnend ist, dass die Konzeption nicht von einem hierarchischen Über-Unterordnungsverhältnis ausgeht, sondern von einem Dialog im horizontalen Verhältnis zwischen den Gerichten.[22]
Darstellungsbedürftig ist zunächst die gegenwärtige Ausgestaltung des gerichtlichen Kooperationsverhältnisses. Insoweit ist zunächst auf das Vorabentscheidungsverfahren einzugehen (I.). Im Anschluss werden sonstige Möglichkeiten des gerichtlichen Dialogs dargestellt (II.).
I. Das Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV)
Im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV legen mitgliedsstaatliche Gerichte entscheidungserhebliche europarechtliche Fragestellungen dem EuGH vor. Telos ist, die einheitliche Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH zu gewährleisten und eine Fragmentierung der unionsrechtlichen Rechtsprechung zu verhindern.[23] Art. 267 Abs. 3 AEUV statuiert eine Pflicht letztinstanzlicher Gerichte zur Vorlage an den EuGH. Darunter fällt nach eigener Ansicht auch das BVerfG.[24] Dieser Vorlagepflicht ist das BVerfG erstmalig im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des OMT-Programms nachgekommen.[25]
Das Vorabentscheidungsverfahren gibt dem gerichtlichen Dialog seinen institutionellen Rahmen.[26] Indem es nationalen Gerichten die prozessuale Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem EuGH bietet, kann das gerichtliche Kooperationsverhältnis mit Leben gefüllt werden.
Der EuGH hat jüngst im Rahmen eines Vorlageverfahrens betont, er selbst trage die ausschließliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die Kompetenzmäßigkeit von Unionsakten.[27] Insofern bietet die Vorlage unionsrechtlicher Fragen den nationalen Verfassungs- und Höchstgerichten die Möglichkeit, dem EuGH ihre Bedenken mitzuteilen, ohne die Zuständigkeit des EuGH zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen. Die nationalen Höchstgerichte erhalten zudem die Möglichkeit, den EuGH auf nationale Besonderheiten hinzuweisen, sodass dem EuGH wesentliche Elemente der nationalen Identität (Art. 4 Abs. 2 EUV) vermittelt werden können. Dadurch wird der EuGH in die Lage versetzt, entscheidungserhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen und eine mitgliedstaatenschonende Auslegung in Kompetenzfragen vorzunehmen.
II. Sonstige Strukturen des gerichtlichen Dialogs
Neben dem rechtlich institutionalisierten Dialog im Vorabentscheidungsverfahren bestehen niedrigschwellige Kommunikationsmöglichkeiten zwischen nationalen Verfassungsgerichten und dem EuGH. Informelle vertrauensbildende Maßnahmen können Vorurteilen begegnen und einen Dialog zwischen den Richtern ermöglichen.
Bestimmte Formate existieren bereits. Zu denken ist etwa an das „Sechser-Treffen“ der deutschsprachigen Verfassungsgerichte (Österreich, Deutschland, Schweiz, Liechtenstein) mit dem EuGH sowie dem EGMR.[28] Alle drei Jahre organisiert die „Konferenz der europäischen Verfassungsgerichte“ einen Kongress, der den Austausch über verfassungsrechtliche Fragestellungen ermöglichen soll.[29] Im Rahmen des Justiziellen Netzwerks der Europäischen Union (JNEU) soll ein Austausch zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und dem EuGH durch die Veröffentlichung von Informationen über ihre Rechtsprechung zum EU-Recht geschaffen werden.[30] Auch die Arbeit der Venedig-Kommission des Europarats kann als Plattform dienen, um über die Ausrichtung verfassungsrechtlicher Kontrollvorbehalte zu sprechen und Gutachten oder Leitlinien zu entwickeln, die der EuGH und die mitgliedsstaatlichen Gerichte bei ihrer Rechtsanwendung berücksichtigen.[31]
Das 16. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vom 2. Oktober 2013 ermöglicht, dass sich die letztinstanzlichen Gerichte der Vertragsstaaten an den EGMR für ein Gutachten zur Auslegung über die EMRK wenden können. Dadurch wird ein Dialog zwischen nationalen Höchstgerichten und dem EGMR angestrebt, welcher der Struktur des Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV in seinen Grundzügen ähnelt.[32] Bisher hat die Bundesrepublik das Protokoll nicht ratifiziert.[33]
C. Vorschläge zur Verbesserung des gerichtlichen Dialogs
In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden unterschiedliche Vorschläge zur Verbesserung des gerichtlichen Dialogs diskutiert.[34] In diesem Beitrag wird dargelegt, warum die Schaffung einer umgekehrten Vorlagefrage im Gegensatz zur Einrichtung eines europäischen Kompetenzgerichts wirkungsvoller und unkomplizierter zur Lösung des Kompetenzkonflikts[35] beitragen kann. Nachdem der Vorschlag zur Einrichtung eines europäischen Kompetenzgerichts kritisch gewürdigt wurde (I.) wird die Idee einer umgekehrten Vorlagemöglichkeit entwickelt (II.).
I. Neues europäisches Kompetenzgericht
Es wird diskutiert, ob ein neues europäisches Kompetenzgericht geschaffen werden soll.[36] Obwohl der Vorschlag keineswegs neu ist[37], sind die Einzelheiten noch nicht geklärt. Diskutiert wird die Schaffung einer neuen Kammer am EuGH oder die Einrichtung eines externen Gremiums. Ungeklärt ist, ob die Kammer verbindliche Urteile erlassen oder sich ihre Aufgabe auf eine beratende Funktion beschränken soll. Die Zusammensetzung eines derartigen Gremiums bleibt ebenfalls offen. Vielfach wird die jeweils hälftige Besetzung durch Richter der mitgliedsstaatlichen Höchstgerichte und des EuGH vorgeschlagen.[38] Weiterhin klärungsbedürftig ist, ob ein Kontrollgremium nur qualifizierte Verstöße des EuGH gegen die europäische Kompetenzordnung aufheben oder gar den Prüfungsmaßstab des EuGH übernehmen soll.[39]
Die Entscheidung eines solchen Gremiums würde, unabhängig von ihrer rechtlichen Verbindlichkeit, sicherlich eine hohe faktische Legitimation aufweisen.[40] Dennoch lassen sich drei wesentliche Kritikpunkte anführen, die den Vorschlag einer umgekehrten Vorlagefrage attraktiver machen.
1. „Hochzonung“ des Letztentscheidungskonflikts
Zum einen ist nur schwer nachvollziehbar, warum der soeben skizzierte Letztentscheidungskonflikt einfach nach oben verlagert wird: Die Schaffung einer Superrevisionsinstanz kann nicht über die Existenz von Kontrollvorbehalten nationaler Höchstgerichte hinwegtäuschen. Es ist nicht einzusehen, warum eine neue Instanz Anlass zur Aufgabe verfassungsrechtlicher Vorbehaltskompetenzen geben sollte. Vielmehr wird der Mehrwert einer neuen Instanz in dem hohen Legitimationsverlust gesehen, den eine Entscheidung eines nationalen Höchstgerichts erleidet, wenn sie sich dem Urteil eines eigens dafür geschaffenen Kompetenzgerichts entzieht.[41] Darüber hinaus ist hochfraglich, ob eine solche „Hochzonung“ nach der jeweiligen mitgliedsstaatlichen Verfassung zulässig wäre. Für Deutschland ist dies angesichts der Anlehnung des Ultra-vires-Vorbehalts an die Ewigkeitsgarantie nach Art. 79 Abs. 3 GG wohl unzulässig. Eine vertiefte Darstellung der verfassungsrechtlichen Perspektive kann an dieser Stelle unterbleiben.
2. Der EuGH zwischen Integrationsmotor und Hüter der Kompetenzordnung
Zum anderen liegt dem Vorschlag die Annahme zugrunde, dass der EuGH in seiner gegenwärtigen Verfasstheit nicht in der Lage sei, die Rolle eines föderalen Kompetenzgerichts adäquat wahrzunehmen.[42] Der EuGH sieht sich häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, in Kompetenzfragen stets die Zuständigkeit der Unionsorgane zu bejahen.[43] Dadurch entstehe der Eindruck, dass der EuGH als Motor der Integration fungiere, seine Rolle als seriöses Kompetenzgericht aber nur unzureichend wahrnehme. Aus dieser Einschätzung wird die Konsequenz abgeleitet, in Kompetenzfragen müsse ein neu zu schaffendes Gremium entscheiden. Die Rechtsprechung des EuGH in Kompetenzfragen bedarf daher einer näheren Betrachtung. Denn wenn man die „EuGH-skeptische Prämisse des Vorschlags“[44] der Einrichtung eines Kompetenzgerichts unterstellt, muss diese Skepsis anhand der Rechtsprechungslinie des EuGH auch nachvollziehbar begründet werden.
Tatsächlich verwirft der EuGH nur selten einen Rechtsakt wegen fehlender Verbandskompetenz.[45] Daraus aber schlicht abzuleiten, der EuGH sei als Hüter der europäischen Kompetenzordnung ungeeignet, wird der Struktur der europäischen Kompetenzordnung nicht gerecht. Häufig kommt es auf die Frage der Verbandskompetenz der Union gar nicht mehr entscheidend an, weil die Rechtmäßigkeit des Unionsakts bereits an anderen europarechtlichen Anforderungen scheitert.[46] Zudem ist die Vielzahl der der EU durch den Vertrag von Lissabon eingeräumten Kompetenzen zu berücksichtigen, sodass zunehmend nicht mehr das „Ob“ des Bestehens einer Verbandskompetenz der EU, sondern die Frage des „Wie“ der Kompetenzausübung relevant wird.[47] Vor allem aber sorgt die zentrale Rolle, die der Rat aus Mitgliedern der nationalen Regierungen im EU-Entscheidungsverfahren spielt, dafür, dass die Wahrung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen beim Erlass von Sekundärrechtsakten groß geschrieben wird.
Bemerkenswert ist die Zurückhaltung des EuGH bei der Überprüfung der Kompetenzausübungsschranken des Art. 5 Abs. 3, 4 EUV. So prüft der EuGH im Rahmen des kompetenzbezogenen Verhältnismäßigkeitsgebots des Art. 5 Abs. 4 S. 1 EUV aus einer ex ante-Perspektive, ob die Maßnahme offensichtlich ungeeignet gewesen ist oder ob es offensichtlich eine autonomieschonendere Maßnahme gegeben hätte.[48] Für diese Zurückhaltung gibt es zwei Gründe. Zum einen ist es angesichts der Autonomie des Unionsrechts unvermeidlich, dass der EuGH eigene Interpretationsmethoden entwickelt.[49] Die Anforderungen, die das BVerfG in seinem PSPP-Urteil an die kompetenzbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung gestellt hat, verkennen die Besonderheiten des Unionsrechts, das sich zwangsläufig von den Rechtsordnungen der 27 Mitgliedstaaten unterscheiden muss, um die Einheit des Unionsrechts gewährleisten zu können.[50] Zum anderen ist auf die grammatikalische Offenheit vieler europäischer Zuständigkeitsregeln hinzuweisen. Damit wird verständlich, warum eine am Vertragszweck orientierte Auslegungsmethode vom EuGH gewählt wird: Durch die unterschiedlichen Sprachfassungen, die jeweils in gleichem Maße verbindlich sind, und durch den Kompromisscharakter vieler Normen entsteht eine Unbestimmtheit. Diese wird bewusst in Kauf genommen und kann als Auftrag an den EuGH verstanden werden, eine sachgerechte Lösung der Rechtsfrage zu entwickeln.[51]
In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich somit ein differenziertes Bild der Rechtsprechung des EuGH zu Kompetenzfragen. Inwieweit die Rechtsprechungslinie des EuGH einen Eindruck von der Eignung des EuGH als Kompetenzgericht vermittelt, kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Die evidente Ungeeignetheit des EuGH als ernstzunehmendes Kompetenzgericht lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls nicht ableiten. Insofern lässt der Vorschlag zur Einrichtung eines europäischen Kompetenzgerichts Zweifel an der Eignung des EuGH als seriöser Richter in Kompetenzfragen aufkommen. Die Befürworter der Schaffung eines Kompetenzgerichts bleiben jedoch, soweit ersichtlich, eine vertiefte Begründung dieser Skepsis schuldig.
3. Rechtspolitisch unwahrscheinliche Perspektive
Schließlich ist für die Umsetzung eines solchen Vorschlags eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV erforderlich. Da die Mitgliedstaaten bei einem verbindlichen Letztentscheidungsorgan vertraglich auf die Kontrollansprüche ihrer (Verfassungs-)Gerichte verzichten müssten, erscheint dies rechtspolitisch unwahrscheinlich. Selbst wenn man dem neuen Gremium nur eine beratende Funktion zubilligen würde, wäre die Schaffung einer neuen europäischen Plattform zur Lösung von Kompetenzkonflikten mit der Befürchtung eines Souveränitätsverlustes verbunden.
4. Zwischenfazit
Die Schaffung eines neuen Entscheidungsorgans würde den justiziellen Dialog zwischen den nationalen Höchstgerichten und ihrem europäischen Pendant nicht verbessern, sondern lediglich verlagern. Zwar würde eine gemischte Kammer eine neue Plattform für den Dialog bieten. Es ist aber keineswegs gesichert, dass die Verständigung in einem Gremium, in dem Richter aus anderen Mitgliedstaaten ein Mitentscheidungsrecht hätten, für das den Prüfungsvorbehalt ausübende Verfassungsgericht autonomieschonender wäre. In der Praxis stammen die Richter des EuGH aus den nationalen Gerichts- und Verwaltungsstrukturen und werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt (Art. 19 Abs. 2 S. 5 EUV). Es ist auch aus diesem Grund nicht ersichtlich, worin der Mehrwert einer neuen Dialogplattform mit Vertretern aus den Reihen der nationalen Gerichte liegen soll. Allein auf die erhöhte faktische Legitimation eines solchen Gremiums zu vertrauen, ist angesichts der hohen Hürden eines Vertragsänderungsverfahrens nicht zielführend.
II. Die Idee der umgekehrten Vorlagefrage
Auf dieser Grundlage soll die Idee eines umgekehrten Vorlageverfahrens vorgestellt und entwickelt werden. Der Dialog zwischen den Gerichten ist, wie gezeigt, im Vorabentscheidungsverfahren institutionell eingekleidet. Es erscheint daher vorzugswürdig, Reformen im Rahmen der bestehenden Verfahrensstrukturen vorzunehmen.
1. Das Vorabentscheidungsverfahren: Ein Dialog auf Augenhöhe?
Ein Dialog ist nach allgemeinen Begriffsverständnis am ehesten als ein Wechselspiel von Rede und Gegenrede zu verstehen.[52] Der Ablauf des gerichtlichen Dialogs wird durch das Vorlageverfahren bestimmt, bei dem das mitgliedsstaatliche Gericht den EuGH durch Vorlage von Fragen zu einer Stellungnahme veranlassen kann.[53] Es erscheint, angesichts dieser Verfahrensstruktur, auf den ersten Blick begründungsbedürftig, von einem Dialog zu sprechen.
Richtig ist, dass auch im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens die Berücksichtigung des Vortrags der nationalen Gerichte durch den EuGH im Vordergrund steht. Die Vorlage unionsrechtlicher Fragen durch mitgliedsstaatliche Höchstgerichte bietet die Möglichkeit, Bedenken zum Ausdruck zu bringen. Sie können den zugrundeliegenden Sachverhalt und denkbare rechtliche Entscheidungsalternativen darstellen. Der EuGH ist dann verpflichtet, die höchstgerichtlichen Argumente zu würdigen.[54] Außerdem kann der EuGH auch ein zweites Mal angerufen werden, um Unklarheiten aus dem Weg zu schaffen oder neue Argumente vorzubringen.[55] Auf diese Weise können Einwände geäußert werden, und der EuGH ist verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen. Rede und Gegenrede sind also möglich.
Bei genauerem Hinsehen weist das Vorabentscheidungsverfahren jedoch eine eher einseitige Kommunikationsstruktur auf. Eine Vorlagemöglichkeit des EuGH an die nationalen Gerichte besteht nicht. Vorlagerecht und Vorlagepflicht bestehen nur für nationale Gerichte. Voßkuhles Konzeption eines pluralistischen Verbundes europäischer Gerichte, die auf Augenhöhe miteinander kommunizieren, findet keinen institutionellen Ausdruck.
2. Entwicklung einer umgekehrten Vorlagemöglichkeit
Eine Kontaktaufnahme des EuGH mit dem mitgliedsstaatlichen Gericht ist de lege lata nicht vorgesehen. Gerade hier könnte das Vorlageverfahren um die Möglichkeit einer umgekehrten Kontaktaufnahme ergänzt werden. Normatives Einfallstor für eine solche umgekehrte Vorlagefrage könnte die „nationale Identität“ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 EUV sein. Danach sind die grundlegenden politischen und verfassungsrechtlichen Strukturen der Mitgliedstaaten vor der EU geschützt. Ob die nationale Identität mit dem Begriff der Verfassungsidentität deckungsgleich ist, bedarf hier keiner vertieften Erörterung.[56] Es muss sich jedenfalls um verfassungsrechtliche Strukturen handeln, die für das nationale System konstitutiv sind.[57] Damit entfaltet die „nationale Identität“ eine Grenze des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges. Werden im Rahmen von Vorlagefragen Identitätsvorbehalte artikuliert, sollte dem EuGH die Möglichkeit eingeräumt werden, den Inhalt der Verfassungsidentität im Wege einer umgekehrten Kontaktaufnahme zu erfragen, ohne ihn durch eigene Auslegung ermitteln zu müssen.
Es muss geklärt werden, wie eine solche Kontaktaufnahme aussehen könnte. Ein Vorschlag wäre, dass sich der EuGH, sobald im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren Fragen der nationalen Identität aufkommen, zur Klärung an das nationale Höchstgericht wendet. Angesichts der Pflicht des EuGH, die nationale Identität gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV zu achten, besteht auch die Notwendigkeit, diese inhaltlich zu konkretisieren. Wenn ein nationales Fachgericht eine Frage dem EuGH vorlegt, kann dieser sich an das entsprechende Höchstgericht wenden, um eine einheitliche Auslegung der nationalen Identität sicherzustellen. Wenn das Vorabentscheidungsverfahren von einem Höchstgericht angestrebt wird, können Unklarheiten, die das Höchstgericht bei der Vorlage an den EuGH nicht ausreichend konkretisiert hat, durch den EuGH erfragt werden. Dadurch entsteht die Möglichkeit von Rede und Gegenrede. Sowohl der EuGH als auch sein Pendant in den Mitgliedsstaaten können anhand der in Anspruch genommenen Letztentscheidungsmonopole eigene Prüfmaßstäbe konkretisieren.
Es ist zu beachten, dass die Möglichkeit der umgekehrten Vorlage die ausschließliche Zuständigkeit des EuGH zur Entscheidung über EU-Recht aus unionsrechtlicher Perspektive nicht in Frage stellt. Die umgekehrte Vorlagefrage soll den nationalen Höchstgerichten einen Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung des Kerngehalts der nationalen Verfassungsidentität einräumen.[58] Ein solcher Beurteilungsspielraum würde auch die mitgliedsstaatlichen Gerichte motivieren, dem EuGH einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Beantwortung unionsrechtlicher Fragen einzuräumen und damit den kooperativen Dialog weiter stärken. Anstatt auf Konfrontation zu setzen, wird der Weg der Kooperation gewählt. Im Wege der Deeskalation werden die wechselseitig bestehenden Entscheidungs- und Kontrollspielräume anerkannt.
3. Mögliche Kritikpunkte
Erstens könnte gegen den Vorschlag eines umgekehrten Vorlageverfahrens sprechen, dass das BVerfG in der PSPP-Entscheidung keinen Identitätsvorbehalt artikuliert, sondern vielmehr die Ultra-vires-Kontrolle von der Verfassungsidentität entkoppelt hat.[59] Insoweit ließe sich festhalten, dass die Möglichkeit der umgekehrten Kontaktaufnahme die Eskalation des Konflikts nicht hätte verhindern können, da Fragen des Art. 4 Abs. 2 EUV keine tragende Rolle spielten. Im konkreten Fall der PSPP-Entscheidung mag dies zutreffen. Allerdings kann die Schaffung einer umgekehrten Kontaktaufnahme auch dazu motivieren, verfassungsgerichtliche Kontrollvorbehalte zu überdenken und stärker an der „nationalen Identität“ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 EUV auszurichten. Im Rahmen von Vorlagefragen, aus denen sich die Gefahr der Geltendmachung eines Ultra-vires-Vorbehalts ergibt, kann der EuGH proaktiv auf die Verfassungs- bzw. Höchstgerichte zugehen, um ein entsprechendes Verdikt zu vermeiden und in einen Austausch zu treten. Ein umgekehrtes Vorlageverfahren könnte dazu beitragen, die gerichtlichen Kontrollansprüche so aufeinander abzustimmen, dass ein Dialog sinnvoll genutzt werden kann. Bei seiner Interpretation der Achtungspflicht aus Art. 4 Abs. 2 EUV könnte der EuGH die konkretisierte nationale Verfassungsidentität bestmöglich schonen.
Zweitens könnte argumentiert werden, dass eine umgekehrte Vorlagefrage gänzlich überflüssig ist, da die Mitgliedstaaten im Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 2 der Satzung des EuGH Schriftsätze oder schriftliche Erklärungen einreichen können, sodass nationale Prüfungsvorbehalte in einem prozessual ausreichenden Umfang vor dem EuGH kommuniziert werden können. Darüber hinaus könnte der EuGH gemäß Art. 24 der EuGH-Satzung auf die Regierung des betroffenen Mitgliedstaates einwirken, das einschlägige Verständnis der nationalen Kontrollansprüche mitzuteilen.[60] Dabei wird allerdings übersehen, dass die vorlegenden Gerichte nicht unmittelbar am Verfahren vor dem EuGH beteiligt sind.[61] Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass es häufig divergierende Auslegungen der Kontrollvorbehalte durch die nationale Regierung und das jeweilige Höchstgericht gibt und die Unabhängigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte rechtsstaatlich geboten ist. Beispielsweise distanzierte sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme anlässlich der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik vom PSPP-Urteil des BVerfG.[62] Die Auffassungen des nationalen Höchstgerichts und der Regierung des Mitgliedstaates müssen nicht zwingend übereinstimmen. Daher kann die Gelegenheit zur Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren die umgekehrte Vorlagefrage nicht ersetzen.
Für die Einrichtung eines umgekehrten Vorabentscheidungsverfahrens ist schließlich auch eine Vertragsänderung gemäß Art. 48 EUV erforderlich. Ähnlich wie bei dem Vorschlag zur Einrichtung eines europäischen Kompetenzgerichts[63] könnte die rechtspolitische Umsetzungswahrscheinlichkeit bezweifelt werden. Indes dient die Schaffung eines umgekehrten Vorabentscheidungsverfahrens der Stärkung des gerichtlichen Dialogs. Die nationalen Höchstgerichte werden in den Dialog einbezogen und können in bestimmten Zusammenhängen effektiver zur Schonung mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten beitragen. Durch die Institutionalisierung des Vortragens mitgliedstaatlicher Bedenken kann der EuGH diese besser im Rahmen seiner Entscheidungen berücksichtigen. Insofern erscheint die Schaffung einer umgekehrten Vorlagemöglichkeit rechtspolitisch sinnvoll und angesichts der Berücksichtigung nationaler und unionsrechtlicher Prüfvorbehalte deutlich wahrscheinlicher.
D. Fazit
Im Hinblick auf die Ultra-vires-Kontrolle durch nationale Höchstgerichte kann die Schaffung einer umgekehrten Vorlagemöglichkeit durch den EuGH das Kooperationsverhältnis beleben. Die bisherige Konzeption des Vorabentscheidungsverfahrens als institutionelles Herzstück des europäischen Verfassungsgerichtsverbundes muss richtig genutzt werden, damit mitgliedsstaatliche Bedenken und Argumente auch vor dem EuGH Berücksichtigung finden. Eine umgekehrte Vorlagemöglichkeit würde es dem EuGH ermöglichen, den nationalen Gerichten auf Augenhöhe zu begegnen und den Eindruck eines Hierarchieverhältnisses zu vermeiden.
Unabhängig davon, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Entscheidung über Unionsrecht nicht in Frage gestellt werden darf, kann eine Reform einen ehrlichen gerichtlichen Dialog fördern: Dem Umstand, dass der EuGH nationale Belange in angemessener Weise berücksichtigt, wird durch Einführung eines umgekehrten Vorlageverfahrens institutionell Rechnung getragen. Nachdem nunmehr die Rechtsprechung des Gerichtshofs in Kompetenzstreitigkeiten vom Verfassungsgericht des bevölkerungsreichsten europäischen Mitgliedstaats als ausbrechender Rechtsakt gewertet wurde und nationalistische Tendenzen in den Mitgliedsstaaten die Rechtsprechung des EuGH als simplen Motor europäischer Integration begreifen, kann ein solches Signal den Dialog stärken und einen konstruktiven Beitrag zur Debatte über Lösungsmöglichkeiten in europäischen Kompetenzstreitigkeiten leisten.
*Mag. iur. Vinzenz Boddenberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht von Prof. Dr. Thomas Giegerich an der Universität des Saarlandes. Er ist Managing Editor unseres Fachblogs.
[1] BVerfGE, 154, 17 (17).
[2] Vgl. Thomas Giegerich, Ende gut, alles gut? – Europäische Kommission stellt Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des Karlsruher PSPP-Urteils ein, jean-monnet-saar 2021, DOI: 10.17176/20220308-095054-0; Presseartikel der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, 02.12.2021, abrufbar unter: germany.representation.ec.europa.eu/news/vertragsverletzungsverfahren-im-dezember-eu-kommission-stellt-verfahren-gegen-deutschland-wegen-ezb-2021-12-02_de (14.02.2024).
[3] Pressemitteilung zum Urteil des Trybunał Konstytucyjny vom 07.10.2021, Az. K 3/21, Rn. 16, abrufbar unter: trybunal.gov.pl/en/news/press-releases/after-the-hearing/art/11664-ocena-zgodnosci-z-konstytucja-rp-wybranych-przepisow-traktatu-o-unii-europejskiej (14.02.2024).
[4] Zum Vergleich der Rechtsprechung des BVerfG und des Verfassungsgerichtshofs von Polen: Alexander Heger, Der EuGH ultra vires? – Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs von Polen im Vergleich, in: Der Schutz des Individuums durch das Recht, Festschrift für Rainer Hofmann zum 70. Geburtstag, Donath P, Heger A., Malkmus M., Bayrak O., S. 961ff.
[5] Hierzu etwa Thomas Giegerich, Europäische Solidarität im Lichte des PSPP-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, in: Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und Solidarität in Österreich und in Europa: Festgabe zum 85. Geburtstag von Professor Heinrich Neisser, einem europäischen Humanisten, Hilpold P., Raffeiner A., Steinmair W., S. 732-753; Horst Kratzmann, Licht und Schatten im PSPP-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 2022, 400ff.
[6] Vgl. etwa Christian Calliess, Vorrang des Unionsrechts und Kompetenzkontrolle im europäischen Verfassungsgerichtsverbund, NJW 2021, 2845, 2847f.
[7] Thomas M. J. Möllers, Das PSPP-Urteil des BVerfG und die Europäische Rechtsunion, EuZW 2020, 503, 504f.
[8] So BVerfGE 154, 17 (96); Peter M. Huber, Der Gerichtshof der Europäischen Union und das Bundesverfassungsgericht als Hüter der unionalen Kompetenzordnung, S. 17.
[9] BVerfGE 126, 286 (286, 302).
[10] Vgl. BVerfGE 126, 286 (286).
[11] BVerfGE 154, 17 (96).
[12] So ausdrücklich BVerfGE 154, 17 (110, 116).
[13] Vgl. instruktiv etwa Franz C. Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, München 2000, S. 67ff.
[14] Højesteret, Urteil vom 6.12.2016 – 15/2014 (zuvor EuGH, Urteil vom 19.04.2016, Rs. C‑441/14, ECLI:EU:C:2016:278), abrufbar unter: domstol.dk/media/2udgvvvb/judgment-15-2014.pdf (14.02.2024); Ústavní soud, Pl. ÚS 5/12, Urteil vom 31.1.2012 (zuvor EuGH, Urteil vom 22.06.2011, Rs. C‑399/09, ECLI:EU:C:2011:415), abrufbar unter: usoud.cz/fileadmin/user_upload/ustavni_soud_www/Decisions/pdf/Pl US 5-12.pdf (14.02.2024).
[15] So jüngst etwa EuGH, Urteil vom 22.02.2022, Rs. C-430/21, ECLI:EU:C:2022:99, Rn. 52.
[16] EuGH, Urteil vom 22.02.2022, Rs. C-430/21, ECLI:EU:C:2022:99, Rn. 51.
[17] So auch Franz C. Mayer, Rebels without a cause? Zur OMT-Vorlage des Bundesverfassungsgerichts, EuR 2014, 473, 479.
[18] Zur maßstabsorientierten Kooperation in Kompetenzfragen: Martin Schwamborn, Maßstäbe der europäischen Integration, Tübingen 2022, S. 325-329, 382-402.
[19] Vgl. Heiko Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, S. 192f.
[20] BVerfGE 123, 267.
[21] Andreas Voßkuhle, Der europäische Verfassungsgerichtsverbund, NVwZ 2010, 1, 1.
[22] Voßkuhle (Fn. 21), 3.
[23] Calliess/Ruffert/Wegener, 6. Aufl. 2022, AEUV Art. 267 Rn. 1.
[24] BVerfGE 37, 271 (282).
[25] BVerfGE 142, 123 (123ff.).
[26] Vgl. EuGH, Urteil vom 22.02.2022, Rs. C-430/21, ECLI:EU:C:2022:99, Rn. 73; Sauer (Fn. 19), S. 194.
[27] EuGH, Urteil vom 22.02.2022, Rs. C-430/21, ECLI:EU:C:2022:99, Rn. 72.
[28] Vgl. BVerfG, Pressemittelung Nr. 75/2022 vom 13. September 2022, „Sechser-Treffen“ der deutschsprachigen Verfassungsgerichte, des EuGH und des EGMR in Lausanne, abrufbar unter: bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-075.html (14.02.2024).
[29] Vgl. Webseite der Konferenz der europäischen Verfassungsgerichte, abrufbar unter: confeuconstco.org (14.02.2024).
[30] Vgl. https://www.bverwg.de/das-gericht/internationale-beziehungen/jneu (14.02.2024).
[31] Vgl. Calliess (Fn. 5), 2851.
[32] Vgl. Claudia Kornmeier, Neues Gutachten-Verfahren beim EGMR: Vorlage light, Legal Tribune Online, 17.04.2018.
[33] Vgl. Vertragsbüro des Europarats, Unterschiften und Ratifikationsstand des Vertrags 214, abrufbar unter: coe.int/de/web/conventions/full-list?module=signatures-by-treaty&treatynum=214 (14.02.2024).
[34] Hierzu etwa Calliess (Fn. 6), 2848ff.
[35] Zur Darstellung des Kompetenzkonflikts siehe oben A.
[36] Joseph H.H. Weiler/Daniel Sarmiento, The Comeback of the Mixed Chamber: Institutional reform and competence creep in an enlarged Union, Verfassungsblog 2023/10/03.
[37] Vgl. etwa Markus Kenntner/Ulrich Goll, Brauchen wir ein Europäisches Kompetenzgericht?, EuZW 2002, 101ff.
[38] Einen konkreten Vorschlag macht etwa Giegerich (Fn. 5), S. 749f.
[39] Für einen zurückhaltenden Prüfungsmaßstab Giegerich (Fn. 5), S. 749.
[40] Joseph H.H. Weiler/Daniel Sarmiento, The EU Judiciary After Weiss – Proposing A New Mixed Chamber of the Court of Justice. A Reply to Our Critics, EU Law Live, 06. Juli 2020.
[41] Weiler/Sarmiento (Fn. 36).
[42] So auch Giegerich (Fn. 5), S. 750f.
[43] Vgl. nur beispielhaft: Klaus Gärditz, Glaubwürdigkeitsprobleme im Unionsverfassungsrecht, EuZW 2020, 505, 506f.; Wolfgang Kahl, Optimierungspotenzial im „Kooperationsverhältnis“ zwischen EuGH und BVerfG, NVwZ 2020, 824, 827; Günter Krings, Die Kompetenzkontrolle der EU – einer muss es ja machen, ZRP 202, 160, 161.
[44] Giegerich (Fn. 5), S. 750.
[45] So Streinz/Huber, 3. Aufl. 2018, EUV Art. 19 EUV, Rn. 33: Der EuGH lehnte die Verbandskompetenz der EU in vier Fällen ab.
[46] Schwamborn (Fn. 18), S. 311.
[47] Oliver Koch, Kompetenzfragen in der Entscheidungspraxis der EU Institutionen, in: Herausforderungen an die Kompetenzordnung der EU, Berlin 2015, 65, 67f.
[48] Grabitz/Hilf/Nettesheim/Bast, 80. EL August 2023, EUV Art. 5 Rn. 73.
[49] Schwamborn (Fn. 18), S. 317.
[50] Vgl. Mayer (Fn. 17), 479.
[51] Thomas von Danwitz, Kooperation der Gerichtsbarkeiten in Europa, ZRP 2010, 143, 146.
[52] Vgl. „Dialog“ auf Duden online, abrufbar unter: duden.de/rechtschreibung/Dialog (14.02.2024).
[53] Siehe oben B.I.
[54] Vgl. dazu: Schwamborn (Fn. 18), S. 326.
[55] Ebenda.
[56] So etwa Calliess (Fn. 23), Art. 4, Rn. 30.
[57] Streinz (Fn. 45), EUV Art. 4, Rn. 14.
[58] So auch Schill/Krenn (Fn. 48), EUV Art. 4, Rn. 55.
[59] Vgl. Christian Calliess, Konfrontation statt Kooperation zwischen BVerfG und EuGH?, NVwZ 2020, 897, 902. Anders noch sind Andeutungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil zum OMT-Verfahren zu verstehen, BVerfGE 142, 123 (188).
[60] Schill/Krenn (Fn. 48), EUV Art. 4, Rn. 54.
[61] Vgl. ErfK/Schlachter, 24. Aufl. 2024, AEUV Art. 267 Rn. 42.
[62] Vgl. BR-Drs. 19/32004.
[63] Siehe oben C.I.3.
Zitiervorschlag: Boddenberg, Vinzenz, Stärkung des europäischen Verfassungsgerichtsverbundes – Die Vorteile einer umgekehrten Vorlagemöglichkeit zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten, jean-monnet-saar 2024.
DOI: 10.17176/20240925-155010-0
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer: 525576645