Prof. Giegerich veröffentlicht Aufsatz zur extraterritorialen Schutzwirkung von Grund- und Menschenrechten im globalen Mehrebenensystem

In diesem Jahr wird der 50. Jahrgang der Europäischen Grundrechte-Zeitschrift publiziert, die das Verständnis für den globalen und europäischen Menschenrechtsschutz und seine Rückwirkungen auf den nationalen Grundrechtsschutz im deutschsprachigen Raum entscheidend gefördert hat. Zum soeben erschienenen Auftaktheft (Heft 1 – 8) dieses Jahrgangs hat Prof. Giegerich einen Aufsatz unter dem Titel „Extraterritoriale Schutzwirkung von Grund- und Menschenrechten im globalen Mehrebenensystem: Kongruenz und Kohärenz für die International Rule of Law“ beigesteuert (S. 17 – 39). Die extraterritoriale Schutzwirkung ist bei der Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungsdimension der Grund- und Menschenrechte unterschiedlich, um die Kohärenz zwischen den grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen und den völkerrechtlichen Grenzen extraterritorialer Hoheitsakte zu wahren. Prof. Giegerich analysiert zunächst die extraterritoriale Schutzwirkung der globalen Menschenrechtsverträge anhand der Praxis der verschiedenen Vertragsgremien auf UN-Ebene, die einen funktionalen Ansatz verfolgen. Die Menschenrechtsbindung der Staaten reicht danach tendenziell so weit, wie sie Herrschaft über die Verwirklichung der vertraglich verankerten Menschenrechte ausüben können (Kongruenz von Macht und Bindung). Die extraterritoriale Schutzwirkung der EMRK ist durch zahlreiche neue Einzelfallentscheidungen des EGMR einerseits erweitert, andererseits verunklart worden. Von einer Kongruenz konventionsstaatlicher Macht und konventionsrechtlicher Bindung kann man hier (noch) nicht sprechen. Vielmehr bleibt die extraterritoriale Schutzwirkung der EMRK teilweise hinter derjenigen der globalen Menschenrechtsverträge zurück. Die extraterritoriale Wirkung der Grundrechte und Grundfreiheiten des EU-Rechts ist bisher nur wenig ausgelotet worden. Demgegenüber hat das BVerfG die extraterritorialen Wirkungen der GG-Grundrechte weit verstanden, während das BVerwG im Drohnenfall zurückhaltender war. Im Ergebnis haben die Grund- und Menschenrechte das Potential, zum Dreh- und Angelpunkt der International Rule of Law zu werden. Denn mit Hilfe grund- und menschenrechtlicher Implementierungsverfahren können indirekt auch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts durchgesetzt werden, wie neben den zahlreichen beim EGMR anhängigen Staatenbeschwerdeverfahren auch einige IGH-Verfahren zeigen.