Giegerich: Neukommentierung von Art. 16 Abs. 2 GG im Maunz/Dürig

Prof. Giegerich hat in der letzten Nachlieferung für den Grundgesetz-Kommentar von Maunz/Dürig das „Grundrecht auf Auslieferungsfreiheit“ in Art. 16 Abs. 2 GG unter Einbeziehung der völker- und europarechtlichen Vorgaben des Auslieferungsrechts und Kritik an der einschlägigen BVerfG-Rechtsprechung neu kommentiert. Er hält eine allgemeine verfassungspolitische Debatte über dieses Deutschengrundrecht im offenen europäisch und global verflochtenen deutschen Verfassungsstaat für geboten, der nicht länger den introvertierten Nationalstaatsvorstellungen des vorletzten Jahrhunderts verhaftet bleiben sollte. Im Ergebnis schlägt er vor, den derzeitigen Art. 16 Abs. 2 GG unter Aufspaltung in zwei Absätze vollständig neu zu fassen. Sein Formulierungsvorschlag für diese Neufassung lautet folgendermaßen:

Art. 16 Abs. 2 GG (neu): „Das Recht von Deutschen sowie sonstigen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern auf Aufenthalt in Deutschland genießt besonderen Schutz. Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.“

Art. 16 Abs. 3 GG (neu): „Niemand darf durch Ausweisung, Abschiebung, Auslieferung oder in sonstiger Weise einer nichtdeutschen Hoheitsgewalt überantwortet werden, wenn dadurch für die betroffene Person das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen, erniedrigenden oder mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbaren Strafe oder Behandlung begründet wird. Werden dieser Person schwere Straftaten, insbesondere Verbrechen nach dem Völkerrecht, vorgeworfen, ist dem Eintritt von Straflosigkeit durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.“