Beitrag der BRD zu Euro-Rettungsmaßnahmen verfassungskonform
Eine Zusammenfassung von Sabrina Lauer
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am Dienstag, den 18. März 2014, sein Urteil in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verkündet (2 BvR 1390/12 u.a.). In dem bisher größten Verfahren in der Geschichte des Karlsruher Gerichtes, bei dem die Verfassungsbeschwerden von über 37.000 Beschwerdeführern und das Organstreitverfahren der Fraktion DIE LINKE gegen den Deutschen Bundestag zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden waren, wurden die Anträge zum Teil bereits als unzulässig verworfen, ansonsten als unbegründet zurückgewiesen und hatten damit insgesamt keinen Erfolg. In einer Eilentscheidung aus dem Jahr 2012 hatte das Verfassungsgericht bereits einer Beteiligung der Bundesrepublik an einem Rettungsschirm unter Auflagen zugestimmt. In dem aktuellen Urteil wurde die damals eingeschlagene Richtung erneut bestätigt.
Die Beschwerdeführer machten insbesondere gelten, die Gesetze zur Einrichtung eines Stabilitätsmechanismus verletzten das Grundrecht des Art.38 Abs.1 GG. Angeführte Gründe hierfür waren zum einen, dass eine solche Umgestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion dazu führte, dass die Europäische Union nicht mehr den Anforderungen von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG entspreche oder einer der unabänderlichen Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG beeinträchtigt werden könne. Zum anderen wurde vorgebracht, die angegriffenen Gesetze verletzten die politische Freiheit der Bürger und das Recht auf Demokratie und dass mit den angegriffenen Gesetzen Strukturveränderungen im staatsorganisatorischen Gefüge ohne die erforderliche Beteiligung des Volkes beschlossen worden seien. Zudem würde mit einem solchen Finanzausgleichssystem die Schwelle zum europäischen Bundesstaat überschritten. Entscheidend war auch das Vorbringen, die Einrichtung des ESM gefährde die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages, da ein Stimmrechtsverlust Deutschlands in den Organen des Europäischen Stabilitätsmechanismus drohe, wenn abrufbares Kapital unter Umständen nicht rechtzeitig bereitgestellt werden könne.
Das Bundeverfassungsgericht erachtete keines dieser Argumente für begründet. Die Leitsätze des Urteils lauten daher wie folgt:
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Durch die Haftungsbegrenzung nach Artikel 8 Absatz 5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in Verbindung mit Anhang II des Vertrages sowie durch die gemeinsame Auslegungserklärung der Vertragsparteien des ESM-Vertrages vom 27. September 2012 (BGBl II S. 1086) und die gleichlautende einseitige Erklärung der Bundesrepublik Deutschland (BGBl II S. 1087) ist hinreichend sichergestellt, dass durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus keine unbegrenzten Zahlungsverpflichtungen begründet werden.
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Der Gesetzgeber ist mit Blick auf die Zustimmung zu Artikel 4 Absatz 8 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus verpflichtet, haushaltsrechtlich durchgehend sicherzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland Kapitalabrufen nach dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus fristgerecht und vollständig nachkommen kann.
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Artikel 32 Absatz 5, Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus stehen in der Auslegung der Erklärungen vom 27. September 2012 einer hinreichenden parlamentarischen Kontrolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch den Deutschen Bundestag und seiner umfassenden Unterrichtung nicht entgegen.
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Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages setzt voraus, dass der Legitimationszusammenhang zwischen dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und dem Parlament unter keinen Umständen unterbrochen wird. Da der Beitritt neuer Mitglieder zum Europäischen Stabilitätsmechanismus nach Artikel 44 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe k des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus einen einstimmigen Gouverneursratsbeschluss erfordert, besteht die Möglichkeit sicherzustellen, dass die gegenwärtig gegebene und verfassungsrechtlich geforderte Vetoposition der Bundesrepublik Deutschland auch unter veränderten Umständen erhalten bleibt.
Die ursprünglich ebenfalls verfahrensgegenständlichen Rügen gegen den sogenannten OMT-Beschluss („Outright Monetary Transactions“) des Rates der Europäischen Zentralbank über den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen vom 6. September 2012 waren vor der Entscheidung vom Dienstag abgetrennt worden. Dort geht es um die Frage, ob die EZB ihre Kompetenzen mit diesem Beschluss überschritten hat und deswegen ein ultra vires-Akt vorliegt. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal in seiner Geschichte dem Gerichtshof der Europäischen Union im Februar dieses Jahres mehrere Fragen über die Vereinbarkeit des OMT-Beschlusses mit europäischem Primärrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt. Nun muss es die Antworten des EuGH abwarten, bevor es selbst entscheiden kann.
Anmerkung: In Kürze finden Sie auf Jean-Monnet-Saar eine Analyse zum OMT-Beschluss des BVerfG und seinen potentiellen Auswirkungen.