Giegerich: Entschädigungsansprüche von Grenzgängern in Corona-Quarantäne

Unter dem Titel „Entschädigungsansprüche von Grenzgängern in Corona-Quarantäne – § 56 Infektionsschutzgesetz aus unionsrechtlicher Sicht“ ist soeben ein Beitrag von Univ-Prof. Thomas Giegerich in Heft 2/2021 der Zeitschrift für europarechtliche Studien (ZEuS) publiziert worden. Dieser ist in vollständiger Fassung unter folgendem Link frei abrufbar.

Im Abstract wird der Inhalt des Beitrags auf Deutsch und Englisch folgendermaßen zusammengefasst: Nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG enthält eine Arbeitnehmerin, gegen die aufgrund des IfSG Quarantäne verhängt wird und die dadurch einen Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung in Geld von dem deutschen Land, das die Quarantäne-Maßnahme getroffen hat. Dieser Entschädigungsanspruch, der weder an die Staatsangehörigkeit noch den Arbeitsort anknüpft, beruht auf Billigkeitserwägungen und soll die betroffenen Arbeitnehmer von materieller Not bewahren. Seine Einführung erfolgte freiwillig ohne verfassungs-, völker- oder europarechtliche Verpflichtung. Einer Arbeitnehmerin, gegen die eine EU-ausländische Behörde auf EU-ausländischer Rechtsgrundlage Quarantäne verhängt hat, steht der Anspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG nicht zu (möglicherweise aber ein entsprechender Anspruch nach dem EU-ausländischen Recht). Diese Begrenzung von Ansprüchen aus § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG auf deutsche Quarantäne-Maßnahmen verstößt weder gegen das Sekundärrecht noch das Primärrecht der EU. Die Mitgliedstaaten können ihre Praxis bei der Entschädigung der Adressaten von Quarantäne-Maßnahmen freiwillig aufeinander abstimmen, um einer Ungleichverteilung des Lohnrisikos in grenzüberschreitenden Fällen und insbesondere im grenznachbarlichen Kontext über das unionsrechtlich Gebotene hinaus entgegenzuwirken. Sie müssen dabei die Angehörigen aller Mitgliedstaaten, die sich in der gleichen Lage befinden, gleich behandeln, können aber auf Reziprozität bestehen.

Compensation Claims of Frontier Workers in Corona Quarantine: Sec. 56 of the German Infection Protection Act from an EU Law Perspective

Pursuant to Sec. 56 (1) sentence 2 of the German Infection Protection Act, a worker against whom quarantine is imposed on the basis of that Act and who suffers a loss of earnings as a result is entitled to monetary compensation from the German Land that imposed the quarantine. This compensation claim, which is not linked to nationality or place of work, is based on considerations of equity and is intended to protect the affected workers from material hardship. It was introduced voluntarily without any obligation under constitutional, international or Union law. A worker against whom the authority of another EU Member State has imposed quarantine based on the national law of that Member State cannot claim compensation under Sec. 56 (1) sentence 2 of the German Act (but possibly under a similar provision of that national law). This limitation of compensation claims under Sec. 56 (1) sentence 2 to German quarantine measures violates neither secondary nor primary EU law. The Member States may voluntarily coordinate their practice in compensating the addressees of quarantine measures in order to counteract an unequal distribution of the wage risk in cross-border cases and especially in the cross-border neighbourhood context beyond what is required by EU law. In doing so, they must treat nationals of all Member States who are in the same situation equally, but may insist on reciprocity.