Giegerich: Europäische Solidarität im Lichte des PSPP-Urteils des BVerfG

Am 4.7.2020 trug Prof. Giegerich zum Thema „Europäische Solidarität im Lichte des PSPP-Urteils des Bundesverfassungsgerichts“ auf einer Online-Tagung über „Die Europäische Union als Solidargemeinschaft“ vor, die von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck veranstaltet wurde. Das Programm ist hier abrufbar. Der Vortrag setzte Überlegungen fort, die Prof. Giegerich schon zuvor online gestellt hatte (Mit der Axt an die Wurzel der Union des Rechts – Vier Fragen an das Bundesverfassungsgericht zum 70. Europa-Tag, Saar Brief vom 9.5.2020; Putting the Axe to the Root of the European Rule of Law – The Recent Judgment of the German Federal Constitutional Court on the Public Sector Asset Purchase Programme of the European Central Bank, Saar Expert Paper 06/20 EN).

Prof. Giegerich erwartet, dass das PSPP-Urteil die Europaskeptiker in Deutschland ermuntern wird, Verfahren vor dem BVerfG gegen alle zukünftigen Maßnahmen finanzieller Solidarität zur gemeinsamen Überwindung der Corona-Krise einzuleiten, und zwar sowohl in Form von Verfassungsbeschwerden als auch Organstreiten durch Oppositionsfraktionen. Der Ausgang solcher Verfahren ist ungewiss. In Bezug auf den Vorschlag, die Letztentscheidung über Kompetenzstreitigkeiten zwischen der EU und Mitgliedstaaten einer neuen Instanz zu übertragen, die mit EuGH-Richtern und Richtern nationaler Höchstgerichte besetzt ist, plädierte Prof. Giegerich für Zurückhaltung. Eine entsprechende Vertragsänderung sei nur sinnvoll, wenn sie zukünftige Justizkonflikte wie im PSPP-Fall definitiv ausschließen könne. Das setze aber voraus, dass das BVerfG und andere nationale Höchstgerichte die Letztentscheidungskompetenz dieser neuen Instanz ausnahmslos anerkennten, was nicht gewährleistet sei.