Lieb‘ doch, wen du willst! – Der EuGH zur grenzüberschreitenden Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen

EuGH, Urteil v. 25.11.2025, Rs. C-713/23

Case Note von Luca Welle

A. Einleitung

Es gibt wenige Fragen, über die sich die EU-Mitgliedsstaaten und ihre Bürger derart uneinig sind, wie es bei der gleichgeschlechtlichen Ehe der Fall ist. Während in Deutschland die sogenannte „Ehe für Alle“ seit Mitte 2017 ein fester Bestandteil der nationalen Rechtsordnung ist, ringen andere europäische Staaten nach wie vor darum, ob ein solches Rechtsinstitut zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren den Weg in das nationale Recht finden soll. 

Derzeit erkennen sechzehn Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Ehe zwischen Paaren gleichen Geschlechts an.[1] Der Bundesrat erklärte in der Begründung zu seinem Gesetzentwurf, dass es seit einiger Zeit „hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des traditionellen Eheverständnisses“ gebe.[2] Diesen Wandel kann man gewiss nicht für alle Mitgliedsstaaten bejahen. In einer 2015 durchgeführten Erhebung der Europäischen Kommission zum Thema Diskriminierung zeigte sich, dass beispielsweise in Kroatien nur 37% der Befragten die gleichgeschlechtliche Ehe befürworten.[3] Lediglich in Rumänien und der Slowakei war die Zustimmung noch geringer. 

In Polen ist die Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe leicht höher als die Ablehnung, dennoch ist das Land in dieser Frage zutiefst gespalten. Artikel 18 der polnischen Verfassung definiert die Ehe als Verbindung zwischen Frau und Mann. Somit erteilt es Eheschließungen von Partnern gleichen Geschlechts im Staatsgebiet eine Absage. Gleichzeitig ist die Eintragung einer im Ausland geschlossenen Ehe ebenso nicht möglich, womit sich nun der EuGH in seiner Rs. C-713/23 beschäftigt hat. 

B. Der Sachverhalt

Konkret geht es im aufgeworfenen Rechtsstreit um einen Antrag auf die Anerkennung und die Umschreibung einer deutschen Eheurkunde in das polnische Personenstandsregister. Die Protagonisten des Rechtsstreits sind polnische Staatsbürger, wobei ein Ehegatte noch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Herr Cupriak-Trojan und Herr Trojan haben Mitte 2018 in Berlin nach deutschem Recht geheiratet, beide Ehegatten wollten ihr weiteres Familienleben allerdings in Polen verbringen. Im Zuge der Heirat nahm Herrn Cupriak-Trojan den Nachnamen seines Gatten als Doppelname an.[4]

Nach der Heirat beantragte Herrn Cupriak-Trojan bei dem zuständigen Standesamt in Polen, dass sein Name abgeändert wird und die in Deutschland geschlossene Ehe in das polnische Personenstandsregister eingetragen wird. Die Behörde lehnte dies allerdings ab und berief sich dabei auf Art. 107 des Gesetzes über Personenstandsurkunden, wonach das Standesamt die Umschreibung verweigern darf, wenn diese mit den Grundprinzipien der Republik Polens nicht d’accord geht. 

Eine entsprechende Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht wurde im Anschluss mit der Begründung abgelehnt, dass die Umschreibung zurecht abgelehnt wurde, da das polnische Recht oder die polnische Verfassung nicht vorsehen, dass zwei Personen des gleichen Geschlechts den Bund der Ehe eingehen können. Zur europarechtlichen Dimension führte das Gericht weiter aus, dass es sich in der konkreten Frage weniger um eine europarechtliche Fragestellung handelt, sondern viel mehr den Personenstand betrifft, der ausdrücklich der Regelungskompetenz der Mitgliedsstaaten unterworfen ist (Rn. 25). 

Gegen das Urteil legten die Ehegatten dann Beschwerde ein, sodass der Rechtsstreit beim Obersten Verwaltungsgericht der Republik Polen anhängig war. Das Oberste Verwaltungsgericht führt zur Untermauerung der Vorlagefrage konkret zwei Entscheidungsmöglichkeiten aus. In seiner präferierten Auffassung teilt das Gericht mit, dass durch die Weigerung der Umschreibung eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Identität vorläge. Eine andere Entscheidungsmöglichkeit sieht das Gericht darin, dass durch die Verweigerung der Umschreibung gerade nicht das Recht der Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV eingeschränkt wird, da die deutsche Urkunde dieselbe Beweiskraft inne hat, wie es eine polnische Urkunde hätte (Rn. 34-35).

C. Die Entscheidung des Gerichtshofs

In seiner Entscheidung setzt sich der Gerichtshof insbesondere mit zwei Fragestellungen auseinander: Handelt es sich bei der Weigerung um eine Diskriminierung und gibt es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zum Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. 

Zunächst nimmt der Gerichtshof aber einen spannenden Konnex zwischen dem Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV und den grundrechtlichen Garantien aus den 

Art. 7 GrCh sowie Art. 21 GrCh vor. Die Weigerung einer Behörde, eine Eheschließung in einem anderen Land anzuerkennen, obwohl diese dort rechtmäßig geschlossen worden ist, stellt eine Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV dar. Durch die Weigerung seien insbesondere Nachteile auf administrativer, beruflicher und privater Ebene zu befürchten (Rn. 51). Dies kann sich beispielsweise auch dadurch ausdrücken, dass die Ehegatten in einem Mitgliedsstaat (hier: Deutschland) als rechtmäßig verheiratete Partner angesehen werden, nach der Rückkehr in das Heimatland sind diese allerdings ledige Personen. Dieser Widerspruch ist deshalb eine erhebliche Gefahr für die Gestaltung und Ausübung des Familienlebens der Ehegatten (Rn. 52-53). Zwar kann in einem solchen Kontext zwar eine Einschränkung der Freizügigkeit als gerechtfertigt erscheinen, dies kann aber nur aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geschehen. Da aber insbesondere der Schutz der öffentlichen Sicherheit sehr eng auszulegen ist, kann man hier eher davon ausgehen, dass eine solche Rechtfertigung im Rechtsstreit fernliegt.[5]

Die Frage nach einer Diskriminierung beantwortet der EuGH hingegen sehr bündig. Zwar obliegt es dem nationalen Recht, entsprechende Verfahren einzuführen, die eine Ehe, die nach ausländischem Recht geschlossen wurde, in der innerstaatlichen Rechtsordnung anzuerkennen.[6] Wenn dem Spielraum der Mitgliedsstaaten kein geeignetes Verfahren entspringt, das die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen zur Folge hat, handelt es sich zweifelsfrei um eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (Art. 21 I GrCh). Somit verpflichtet der EuGH gleichsam die Mitgliedsstaaten, im nationalen Recht Institute vorzusehen, die eine Umschreibung für gleichgeschlechtliche wie verschiedengeschlechtliche Paare unterschiedslos möglich machen (Rn. 75). 

Überraschender ist für manche Beobachter die Folgerung, dass durch die Entscheidung ein neuer allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts etabliert wird.[7] Bislang war ein solcher Rechtsgrundsatz nur für Diskriminierungen aufgrund des Alters oder aufgrund der Religion anerkannt.[8] Nun weitet der Gerichtshof diese Grundsätze auf die sexuelle Orientierung aus, was auch neue Betrachtungsweisen eröffnet. Ganz überraschend kommt diese neue Denkweise aber nicht, denn bereits in einem parallel laufenden Verfahren vor dem Gerichtshof warf der zuständige Generalanwalt auf, dass Art. 21 GrCh auch Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung umfasst.[9] Hier bezieht er sich auch explizit auf transsexuelle Menschen, die vor jeglicher Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Identität geschützt werden sollen. 

D. Fazit

Die Entscheidung des Gerichtshofs zeigt vor allem eines, das Unionsrecht ist lebendig und bietet Antworten auf die Fragen, welche die Union spalten. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass das Unionsrecht gerade diese Fragen beantwortet, die für viele Menschen von großer Bedeutung sind, da sie vor ähnlichen Problemen stehen. 

Das wohl größte Fragezeichen, das angesichts der Entscheidung allerdings verbleibt, bezieht sich auf die weiteren Fragestellungen in sogenannten „rainbow cases“.[10] Gerade auch, weil der oben erwähnte Generalanwalt Ćapeta die Tür öffnet, den Schutz des Art. 21 GrCh auch auf Transpersonen zu erweitern, gilt es dieses Feld weiterhin zu beobachten. 

Aber auch in einem politischen Kontext bleibt dieses Themenfeld hochbrisant. Insbesondere in den osteuropäischen Staaten und dem Baltikum wird in den kommenden Jahren die Frage beherrschend sein, in welche Richtung entwickeln sich die Staaten hinsichtlich der Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren. Zwar gibt es in den genannten Regionen weitestgehend die Möglichkeit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, dennoch lohnt sich auch hier die Beobachtung, ob die Staaten angesichts des gesellschaftlichen Wandels den (womöglich) richtigen Schritt gehen wollen. 


[1] https://europa.eu/youreurope/citizens/family/couple/marriage/index_de.htm#.

[2] Begründung zum Gesetzentwurf des Bundesrates (Ds. 18/6665), S. 7.

[3] Europäische Kommission „Special Eurobarometer 437 – Discrimination in the EU in 2015“.

[4] EuGH, Urteil v. 25.11.2025, Rs. C-713/23, Rn. 20-22.

[5] Zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Ordnung EuGH, Urteil v. 05.06.2018, Rs. C-673/16, Rn. 44.

[6] Schlussantrag des Generalanwalts de la Tour v. 03.04.2025, Rs. C-713/23, Rn. 36.

[7] Dazu: Lamprinoudis, Konstantinos: The Trojan Horse of Free Movement Law: Unfolding Non-Discrimination on Grounds of Sexual Orientation in “Trojan”, Verfassungsblog v. 01.12.2025

[8] Zur Altersdiskriminierung EuGH, Urteil v. 15.01.2014, Rs. C-176/12, association de mediation sociale. Zur Diskriminierung aufgrund der Religion EuGH, Urteil v. 17.04.2018, Rs. C-414/16, Egenberger

[9] Opinion des Generalanwalts Ćapeta v. 05.06.2025, Rs. 769/22, Kommission v Ungarn

[10] Vertieft zu sog. rainbow cases: Ristuccia, Fulvia: (de) la Tour fait le cavalier: One Step Ahead and Two Sideways in AG de la Tour’s Opinion in Wojewoda Mazowiecki, Verfassungsblog v. 25.04.2025

ZitiervorschlagWelle, Luca, Lieb‘ doch, wen du willst! – Der EuGH zur grenzüberschreitenden Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen, jean-monnet-saar 2025.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer: 525576645

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